Theodor Mommsen Roemische Geschichte Fuenftes Buch Die Begruendung der Militaermonarchie Wie er sich sieht so um und um, Kehrt es ihm fast den Kopf herum, Wie er wollt’ Worte zu allem finden? Wie er moecht’ so viel Schwall verbinden Wie er moecht’ immer mutig bleiben So fort und weiter fort zu schreiben? Goethe 1. Kapitel Marcus Lepidus und Quintus Sertorius Als Sulla im Jahre 676 (78) starb, beherrschte die von ihm restaurierte Oligarchie unbeschraenkt den roemischen Staat; allein wie sie durch Gewalt gegruendet war, bedurfte sie auch ferner der Gewalt, um sich gegen ihre zahlreichen heimlichen und offenen Gegner zu behaupten. Was ihr entgegenstand, war nicht etwa eine einfache Partei mit klar ausgesprochenen Zwecken und unter bestimmt anerkannten Fuehrern, sondern eine Masse der mannigfaltigsten Elemente, die wohl im allgemeinen unter dem Namen der Popularpartei sich zusammenfassten, aber doch in der Tat aus den verschiedenartigsten Gruenden und in der verschiedenartigsten Absicht gegen die Sullanische Ordnung des Gemeinwesens Opposition machten. Da waren die Maenner des positiven Rechts, die Politik weder machten noch verstanden, denen aber Sullas willkuerliches Schalten mit dem Leben und Eigentum der Buerger ein Greuel war. Noch bei Lebzeiten Sullas, waehrend jede andere Opposition schwieg, lehnten die strengen Juristen gegen den Regenten sich auf: es wurden zum Beispiel die Cornelischen Gesetze, welche verschiedenen italischen Buergerschaften das roemische Buergerrecht aberkannten, in gerichtlichen Entscheidungen als nichtig behandelt, ebenso das Buergerrecht von den Gerichten erachtet als nicht aufgehoben durch die Kriegsgefangenschaft und den Verkauf in die Sklaverei waehrend der Revolution. Da waren ferner die Ueberreste der alten liberalen Senatsminoritaet, welche in frueheren Zeiten auf eine Transaktion mit der Reformpartei und mit den Italikern hingearbeitet hatte und jetzt in aehnlicher Weise geneigt war, die starr oligarchische Verfassung Sullas durch Zugestaendnisse an die Popularen zu mildern. Da waren ferner die eigentlichen Popularen, die ehrlich glaeubigen bornierten Radikalen, die fuer die Schlagwoerter des Parteiprogramms Vermoegen und Leben einsetzten, um nach dem Siege mit schmerzlichem Erstaunen zu erkennen, dass sie nicht fuer eine Sache, sondern fuer eine Phrase gefochten hatten. Ihnen galt es vornehmlich um die Wiederherstellung der von Sulla zwar nicht aufgehobenen, aber doch ihrer wesentlichsten Befugnisse entkleideten tribunizischen Gewalt, welche nur mit um so geheimnisvollerem Zauber auf die Menge wirkte, weil das Institut ohne handgreiflichen praktischen Nutzen und in der Tat ein leeres Gespenst war – hat doch der Name des Volkstribuns noch ueber ein Jahrtausend spaeter Rom revolutioniert. Da waren vor allem die zahlreichen und wichtigen Klassen, die die Sullanische Restauration unbefriedigt gelassen oder geradezu in ihren politischen oder Privatinteressen verletzt hatte. Aus solchen Ursachen gehoerte der Opposition an die dichte und wohlhabende Bevoelkerung der Landschaft zwischen dem Po und den Alpen, die natuerlich die Gewaehrung des launischen Rechts im Jahre 665 (89) nur als eine Abschlagszahlung auf das volle roemische Buergerrecht betrachtete und der Agitation einen willfaehrigen Boden gewaehrte. Desgleichen die ebenfalls durch Anzahl und Reichtum einflussreichen und durch ihre Zusammendraengung in der Hauptstadt noch besonders gefaehrlichen Freigelassenen, die es nicht verschmerzen konnten, durch die Restauration wieder auf ihr frueheres, praktisch nichtiges Stimmrecht zurueckgefuehrt worden zu sein. Desgleichen ferner die hohe Finanz, die zwar vorsichtig sich still verhielt, aber ihren zaehen Groll und ihre nicht minder zaehe Macht nach wie vor sich bewahrte. Ebenso missvergnuegt war die hauptstaedtische Menge, die die wahre Freiheit im freien Brotkorn erkannte. Noch tiefere Erbitterung gaerte in den von den Sullanischen Konfiskationen betroffenen Buergerschaften, mochten sie nun, wie zum Beispiel die Pompeianer, in ihrem durch die Sullanischen Kolonisten geschmaelerten Eigentum innerhalb desselben Stadtgebiets mit diesen zusammen und mit ihnen in ewigem Hader leben oder, wie die Arretiner und Volaterraner, zwar noch im tatsaechlichen Besitz ihrer Mark, aber unter dem Damoklesschwert der vom roemischen Volke ueber sie verhaengten Konfiskation sich befinden oder endlich, wie dies besonders in Etrurien der Fall war, als Bettler in ihren ehemaligen Wohnsitzen oder als Raeuber in den Waeldern verkommen. Es war endlich in Gaerung der ganze Familien- und Freigelassenenanhang derjenigen demokratischen Haeupter, die infolge der Restauration das Leben verloren hatten oder in allem Elend des Emigrantenrums teils an den mauretanischen Kuesten umherirrten, teils am Hofe und im Heere Mithradats verweilten; denn nach der von strenger Familiengeschlossenheit beherrschten politischen Gesinnung dieser Zeit galt es den Zurueckgebliebenen als Ehrensache ^1, fuer die fluechtigen Angehoerigen die Rueckkehr in die Heimat, fuer die toten wenigstens Aufhebung der auf ihrem Andenken und auf ihren Kindern haftenden Makel und Rueckgabe des vaeterlichen Vermoegens auszuwirken. Vor allem die eigenen Kinder der Geaechteten, die der Regent von Rechts wegen zu politischen Parias herabgesetzt hatte, hatten damit gleichsam von dem Gesetze selbst die Aufforderung empfangen, gegen die bestehende Ordnung sich zu empoeren. ———————————————- ^1 Ein bezeichnender Zug ist es, dass ein angesehener Literaturlehrer, der Freigelassene Staberius Eros, die Kinder der Geaechteten unentgeltlich an seinem Kursus teilnehmen liess. ———————————————– Zu allen diesen oppositionellen Fraktionen kam weiter hinzu die ganze Masse der ruinierten Leute. All das vornehme und geringe Gesindel, dem im eleganten oder im banausischen Schlemmen Habe und Haltung darauf gegangen war; die adligen Herren, an denen nichts mehr vornehm war als ihre Schulden; die Sullanischen Lanzknechte, die der Machtspruch des Regenten wohl in Gutsbesitzer, aber nicht in Ackerbauer hatte umschaffen koennen, und die nach der verprassten ersten Erbschaft der Geaechteten sich sehnten, eine zweite aehnliche zu tun – sie alle warteten nur auf die Entfaltung der Fahne, die zum Kampfe gegen die bestehenden Verhaeltnisse einlud, mochte sonst was immer darauf geschrieben sein. Mit gleicher Notwendigkeit schlossen alle aufstrebenden und der Popularitaet beduerftigen Talente der Opposition sich an, sowohl diejenigen, denen der streng geschlossene Optimatenkreis die Aufnahme oder doch das rasche Emporkommen verwehrte und die deshalb in die Phalanx gewaltsam sich einzudraengen und die Gesetze der oligarchischen Exklusivitaet und Anciennitaet durch die Volksgunst zu brechen versuchten, als auch die gefaehrlicheren Maenner, deren Ehrgeiz nach einem hoeheren Ziel strebte, als die Geschicke der Welt innerhalb der kollegialischen Umtriebe bestimmen zu helfen. Namentlich auf der Advokatentribuene, dem einzigen von Sulla offengelassenen Boden gesetzlicher Opposition, ward schon bei Lebzeiten des Regenten von solchen Aspiranten mit den Waffen der formalen Jurisprudenz und der schlagfertigen Rede lebhaft gegen die Restauration gestritten; zum Beispiel der gewandte Sprecher Marcus Tullius Cicero (geboren 3. Januar 648 106), eines Gutsbesitzers von Arpinum Sohn, machte durch seine halb vorsichtige, halb dreiste Opposition gegen den Machthaber sich rasch einen Namen. Dergleichen Bestrebungen hatten nicht viel zu bedeuten, wenn der Opponent nichts weiter begehrte, als den kurulischen Stuhl damit sich einzuhandeln und sodann als Befriedigter den Rest seiner Jahre auf demselben zu versitzen. Wenn freilich einem populaeren Mann dieser Stuhl nicht genuegen und Gaius Gracchus einen Nachfolger finden sollte, so war ein Kampf auf Tod und Leben unvermeidlich; indes fuer jetzt wenigstens war noch kein Name zu nennen, dessen Traeger ein so hohes Ziel sich vorgesteckt haette. Derart war die Opposition, mit der das von Sulla eingesetzte oligarchische Regiment zu kaempfen hatte, nachdem dasselbe, frueher als Sulla selbst gedacht haben mochte, durch seinen Tod auf sich selber angewiesen worden war. Die Aufgabe war an sich nicht leicht und ward noch erschwert durch die sonstigen sozialen und politischen Uebelstaende dieser Zeit, vor allem durch die ungemeine Schwierigkeit, teils die Militaerchefs in den Provinzen in Unterwuerfigkeit gegen die hoechste buergerliche Obrigkeit zu erhalten, teils in der Hauptstadt mit den Massen des daselbst sich anhaeufenden italischen und ausseritalischen Gesindels und der in Rom grossenteils in faktischer Freiheit lebenden Sklaven fertig zu werden, ohne doch Truppen zur Verfuegung zu haben. Der Senat stand wie in einer von allen Seiten ausgesetzten und bedrohten Festung, und ernstliche Kaempfe konnten nicht ausbleiben. Aber auch die von Sulla geordneten Widerstandsmittel waren ansehnlich und nachhaltig; und wenngleich die Majoritaet der Nation der Regierung, wie Sulla sie eingesetzt hatte, offenbar abgeneigt, ja ihr feindselig gesinnt war, so konnte nichtsdestoweniger gegen die irre und wirre Masse einer Opposition, welche weder im Ziel noch im Weg zusammen und hauptlos in hundert Fraktionen auseinanderging, die Regierung sehr wohl noch auf lange hinaus in ihrer festen Burg sich behaupten. Nur freilich musste sie auch sich behaupten wollen und wenigstens einen Funken jener Energie, die ihre Festung gebaut hatte, zu deren Verteidigung heranbringen; fuer eine Besatzung, die sich nicht wehren will, zieht der groesste Schanzkuenstler vergebens seine Mauern und Graeben. Je mehr schliesslich alles ankam auf die Persoenlichkeit der leitenden Maenner auf beiden Seiten, desto uebler war es, dass es genau genommen auf beiden Seiten an Fuehrern fehlte. Die Politik dieser Zeit ward durchaus beherrscht von dem Koteriewesen in seiner schlimmsten Gestalt. Wohl war dasselbe nichts Neues; die Familien- und Klubgeschlossenheit ist untrennbar von der aristokratischen Ordnung des Staats und war seit Jahrhunderten in Rom uebermaechtig. Aber allmaechtig wurde dieselbe doch erst in dieser Epoche, wie denn ihr Einfluss auch erst jetzt (zuerst 690 64) durch gesetzliche Repressivmassregeln weniger gehemmt als konstatiert ward. Alle Vornehmen, die popular Gesinnten nicht minder als die eigentliche Oligarchie, taten sich in Hetaerien zusammen; die Masse der Buergerschaft, soweit sie ueberhaupt an den politischen Vorgaengen regelmaessig sich beteiligte, bildete nach den Stimmbezirken gleichfalls geschlossene und fast militaerisch organisierte Vereine, die an den Vorstehern der Bezirke, den “Bezirksverteilern” (divisores tribuum), ihre natuerlichen Hauptleute und Mittelsmaenner fanden. Feil war diesen politischen Klubs alles: die Stimme des Waehlers vor allem, aber auch die des Ratsmanns und des Richters, auch die Faeuste, die den Strassenkrawall machten, und die Rottenfuehrer, die ihn lenkten – nur im Tarif unterschieden sich die Assoziationen der Vornehmen und der Geringen. Die Hetaerie entschied die Wahlen, die Hetaerie beschloss die Anklagen, die Hetaerie leitete die Verteidigung; sie gewann den angesehenen Advokaten, sie akkordierte im Notfall wegen der Freisprechung mit einem der Spekulanten, die den eintraeglichen Handel mit Richterstimmen im grossen betrieben. Die Hetaerie beherrschte durch ihre geschlossenen Banden die Strassen der Hauptstadt und damit nur zu oft den Staat. All diese Dinge geschahen nach einer gewissen Regel und sozusagen oeffentlich; das Hetaerienwesen war besser geordnet und besorgt als irgendein Zweig der Staatsverwaltung; wenn auch, wie es unter zivilisierten Gaunern ueblich ist, von dem verbrecherischen Treiben nach stillschweigendem Einverstaendnis nicht geradezu gesprochen ward, so hatte doch niemand dessen ein Hehl, und angesehene Sachwalter scheuten sich nicht, ihr Verhaeltnis zu den Hetaerien ihrer Klienten oeffentlich und verstaendlich anzudeuten. Fand sich hier und da ein einzelner Mann, der diesem Treiben und nicht zugleich dem oeffentlichen Leben sich entzog, so war er sicher, wie Marcus Cato, ein politischer Don Quichotte. An die Stelle der Parteien und des Parteienkampfes traten die Klubs und deren Konkurrenz, an die Stelle des Regiments die Intrige. Ein mehr als zweideutiger Charakter, Publius Cethegus, einst einer der eifrigsten Marianer, spaeter als Ueberlaeufer zu Sulla zu Gnaden aufgenommen, spielte in dem politischen Treiben dieser Zeit eine der einflussreichsten Rollen, einzig als schlauer Zwischentraeger und Vermittler zwischen den senatorischen Fraktionen und als staatsmaennischer Kenner aller Kabalengeheimnisse; zu Zeiten entschied ueber die Besetzung der wichtigsten Befehlshaberstellen das Wort seiner Maetresse Praecia. Eine solche Misere war eben nur moeglich, wo keiner der politisch taetigen Maenner sich ueber die Linie des Gewoehnlichen erhob; jedes ausserordentliche Talent haette diese Faktionenwirtschaft wie Spinnweben weggefegt; aber eben an politischen und militaerischen Kapazitaeten war der bitterste Mangel. Von dem aelteren Geschlecht hatten die Buergerkriege keinen einzigen angesehenen Mann uebriggelassen als den alten, klugen, redegewandten Lucius Philippus (Konsul 663 91),. der, frueher popular gesinnt, darauf Fuehrer der Kapitalistenpartei gegen den Senat und mit den Marianern eng verknuepft, endlich zeitig genug, um Dank und Lohn zu ernten, uebergetreten zu der siegenden Oligarchie, zwischen den Parteien durchgeschluepft war. Unter den Maennern der folgenden Generation waren die namhaftesten Haeupter der reinen Aristokratie Quintus Metellus Pius (Konsul 674 80), Sullas Genosse in Gefahren und Siegen; Quintus Lutatius Catulus, Konsul in Sullas Todesjahr 676 (78), der Sohn des Siegers von Vercellae; und zwei juengere Offiziere, die beiden Brueder Lucius und Marcus Lucullus, von denen jener in Asien, dieser in Italien mit Auszeichnung unter Sulla gefochten hatten; um zu schweigen von Optimaten wie Quintus Hortensius (640-704 114-50), der nur als Sachwalter etwas bedeutete, oder gar wie Decimus Iunius Brutus (Konsul 677 77), Mamercus Aemilius Lepidus Livianus (Konsul 677 77) und andern solchen Nullitaeten, an denen der vollklingende aristokratische Name das gute Beste war. Aber auch jene vier Maenner erhoben sich wenig ueber den Durchschnittswert der vornehmen Adligen dieser Zeit. Catulus war gleich seinem Vater ein feingebildeter Mann und ehrlicher Aristokrat, aber von maessigen Talenten und namentlich kein Soldat. Metellus war nicht bloss ein persoenlich achtbarer Charakter, sondern auch ein faehiger und erprobter Offizier: nicht so sehr wegen seiner engen verwandtschaftlichen und kollegialischen Beziehungen zu dem Regenten, als besonders wegen seiner anerkannten Tuechtigkeit war er im Jahre 675 (79) nach Niederlegung des Konsulats nach Spanien gesandt worden, als dort die Lusitaner und die roemischen Emigranten unter Quintus Sertorius abermals sich regten. Tuechtige Offiziere waren auch die beiden Lucullus, namentlich der aeltere, der ein sehr achtbares militaerisches Talent mit gruendlicher literarischer Bildung und schriftstellerischen Neigungen vereinigte und auch als Mensch ehrenwert erschien. Allein als Staatsmaenner waren doch selbst diese besseren Aristokraten nicht viel weniger schlaff und kurzsichtig als die Dutzendsenatoren der Zeit. Dem aeusseren Feind gegenueber bewaehrten die namhafteren darunter sich wohl als brauchbar und brav; aber keiner von ihnen bezeigte Lust und Geschick, die eigentlich politischen Aufgaben zu loesen und das Staatsschiff durch die bewegte See der Intrigen und Parteiungen als rechter Steuermann zu lenken. Ihre politische Weisheit beschraenkte sich darauf, aufrichtig zu glauben an die alleinseligmachende Oligarchie, dagegen die Demagogie ebenso wie jede sich emanzipierende Einzelgewalt herzlich zu hassen und mutig zu verwuenschen. Ihr kleiner Ehrgeiz nahm mit wenigem vorlieb. Was von Metellus in Spanien erzaehlt wird, dass er nicht bloss die wenig harmonische Leier der spanischen Gelegenheitspoeten sich gefallen, sondern sogar, wo er hinkam, sich gleich einem Gotte mit Weinspenden und Weihrauchduft empfangen und bei Tafel von niederschwebenden Viktorien unter Theaterdonner das Haupt mit dem goldenen Siegeslorbeer sich kraenzen liess, ist nicht besser beglaubigt als die meisten geschichtlichen Anekdoten; aber auch in solchem Klatsch spiegelt sich der heruntergekommene Ehrgeiz der Epigonengeschlechter. Selbst die Besseren waren befriedigt, wenn nicht Macht und Einfluss, sondern das Konsulat und der Triumph und im Rate ein Ehrenplatz errungen war, und traten da, wo sie bei rechtem Ehrgeiz erst angefangen haben wuerden, ihrem Vaterland und ihrer Partei wahrhaft nuetzlich zu sein, von der politischen Buehne zurueck, um in fuerstlichem Luxus unterzugehen. Maenner wie Metellus und Lucius Lucullus waren schon als Feldherren nicht weniger als auf die Erweiterung des roemischen Gebiets durch neu unterworfene Koenige und Voelkerschaften bedacht auf die der endlosen Wildbret-, Gefluegel- und Dessertliste der roemischen Gastronomie durch neue afrikanische und kleinasiatische Delikatessen und haben den besten Teil ihres Lebens in mehr oder minder geistreichem Muessiggang verdorben. Das traditionelle Geschick und die individuelle Resignation, auf denen alles oligarchische Regiment beruht, waren der verfallenen und kuenstlich wiederhergestellten roemischen Aristokratie dieser Zeit abhanden gekommen; ihr galt durchgaengig der Cliquengeist als Patriotismus, die Eitelkeit als Ehrgeiz, die Borniertheit als Konsequenz. Waere die Sullanische Verfassung unter die Obhut von Maennern gekommen, wie sie wohl im roemischen Kardinalskollegium und im venezianischen Rat der Zehn gesessen haben, so ist es nicht zu sagen, ob die Opposition vermocht haben wuerde, sie so bald zu erschuettern; mit solchen Verteidigern war allerdings jeder Angriff eine ernste Gefahr. Unter den Maennern, die weder unbedingte Anhaenger noch offene Gegner der Sullanischen Verfassung waren, zog keiner mehr die Augen der Menge auf sich als der junge, bei Sullas Tode achtundzwanzigjaehrige Gnaeus Pompeius (geb. 29. September 648 106). Es war das ein Unglueck fuer den Bewunderten wie fuer die Bewunderer; aber es war natuerlich. Gesund an Leib und Seele, ein tuechtiger Turner, der noch als Oberoffizier mit seinen Soldaten um die Wette sprang, lief und hob, ein kraeftiger und gewandter Reiter und Fechter, ein kecker Freischarenfuehrer, war der Juengling in einem Alter, das ihn von jedem Amt und vom Senat ausschloss, Imperator und Triumphator geworden und hatte in der oeffentlichen Meinung den ersten Platz naechst Sulla, ja von dem laesslichen, halb anerkennenden, halb ironischen Regenten selbst den Beinamen des Grossen sich erworben. Zum Unglueck entsprach seine geistige Begabung diesen unerhoerten Erfolgen schlechterdings nicht. Er war kein boeser und kein unfaehiger, aber ein durchaus gewoehnlicher Mensch, durch die Natur geschaffen, ein tuechtiger Wachtmeister, durch die Umstaende berufen, Feldherr und Staatsmann zu sein. Ein einsichtiger, tapferer und erfahrener, durchaus vorzueglicher Soldat, war er doch auch als Militaer ohne eine Spur hoeherer Begabung; als Feldherr wie ueberhaupt ist es ihm eigen, mit einer an Aengstlichkeit grenzenden Vorsicht zu Werke zu gehen und womoeglich den entscheidenden Schlag erst dann zu fuehren, wenn die ungeheuerste Ueberlegenheit ueber den Gegner hergestellt ist. Seine Bildung ist die Dutzendbildung der Zeit; obwohl durch und durch Soldat versaeumte er doch nicht, als er nach Rhodos kam, die dortigen Redekuenstler pflichtmaessig zu bewundern und zu beschenken. Seine Rechtschaffenheit war die des reichen Mannes, der mit seinem betraechtlichen ererbten und erworbenen Vermoegen verstaendig Haus haelt; er verschmaehte es nicht, in der ueblichen senatorischen Weise Geld zu machen, aber er war zu kalt und zu reich, um deswegen sich in besondere Gefahren zu begeben und hervorragende Schande sich aufzuladen. Die unter seinen Zeitgenossen im Schwange gehende Lasterhaftigkeit hat mehr als seine eigene Tugend ihm den – relativ allerdings wohl gerechtfertigten – Ruhm der Tuechtigkeit und Uneigennuetzigkeit verschafft. Sein “ehrliches Gesicht” ward fast sprichwoertlich, und noch nach seinem Tode war er ein wuerdiger und sittlicher Mann; in der Tat war er ein guter Nachbar, welcher die empoerende Sitte der Grossen jener Zeit, ihre Gebietsgrenzen durch Zwangskaeufe oder, noch Schlimmeres, auf Kosten der kleineren Nachbarn auszudehnen, nicht mitmachte, und zeigte er im Familienleben Anhaenglichkeit an Frau und Kinder; es gereicht ihm ferner zur Ehre, dass er zuerst von der barbarischen Sitte abging, die gefangenen feindlichen Koenige und Feldherrn nach ihrer Auffuehrung im Triumph hinrichten zu lassen. Aber das hielt ihn nicht ab, wenn sein Herr und Meister Sulla befahl, sich von der geliebten Frau zu scheiden, weil sie einem verfemten Geschlecht angehoerte, und auf desselben Gebieters Wink Maenner, die ihm in schwerer Zeit hilfreich beigestanden hatten, mit grosser Seelenruhe vor seinen Augen hinrichten zu lassen; er war nicht grausam, wie man ihm vorwarf, aber, was vielleicht schlimmer ist, kalt und im Guten wie im Boesen ohne Leidenschaft. Im Schlachtgetuemmel sah er dem Feinde das Weisse im Auge; im buergerlichen Leben war er ein schuechterner Mann, dem bei der geringsten Veranlassung das Blut in die Wangen stieg und der nicht ohne Verlegenheit oeffentlich sprach, ueberhaupt eckig, steif und ungelenk im Verkehr. Bei all seinem hoffaertigen Eigensinn war er, wie ja in der Regel diejenigen es sind, die ihre Selbstaendigkeit zur Schau tragen, ein lenksames Werkzeug in der Hand derjenigen, die ihn zu nehmen verstanden, namentlich seiner Freigelassenen und Klienten, von denen er nicht fuerchtete, beherrscht zu werden. Zu nichts war er minder geschaffen als zum Staatsmann. Unklar ueber seine Ziele, ungewandt in der Wahl seiner Mittel, im kleinen wie im grossen kurzsichtig und ratlos, pflegte er seine Unschluessigkeit und Unsicherheit unter feierlichem Schweigen zu verbergen und, wenn er fein zu spielen meinte, nur mit dem Glauben andere zu taeuschen, sich selber zu betruegen. Durch seine militaerische Stellung und seine landsmannschaftlichen Beziehungen fiel ihm fast ohne sein Zutun eine ansehnliche, ihm persoenlich ergebene Partei zu, mit der sich die groessten Dinge haetten durchfuehren lassen; allein Pompeius war in jeder Beziehung unfaehig, eine Partei zu leiten und zusammenzuhalten, und wenn sie dennoch zusammenhielt, so geschah dies gleichfalls ohne sein Zutun durch das blosse Schwergewicht der Verhaeltnisse. Hierin wie in andern Dingen erinnert er an Marius; aber Marius ist mit seinem bauerhaft rohen, sinnlich leidenschaftlichen Wesen doch noch minder unertraeglich als dieser langweiligste und steifleinenste aller nachgemachten grossen Maenner. Seine politische Stellung war durchaus schief. Er war Sullanischer Offizier und fuer die restaurierte Verfassung einzustehen verpflichtet, und doch auch wieder in Opposition gegen Sulla persoenlich wie gegen das ganze senatorische Regiment. Das Geschlecht der Pompeier, das erst seit etwa sechzig Jahren in den Konsularverzeichnissen genannt ward, galt in den Augen der Aristokratie noch keineswegs als voll; auch hatte der Vater dieses Pompeius gegen den Senat eine sehr gehaessige Zwitterstellung eingenommen und er selbst einst in den Reihen der Cinnaner gestanden – Erinnerungen, die wohl verschwiegen, aber nicht vergessen wurden. Die hervorragende Stellung, die Pompeius unter Sulla sich erwarb, entzweite ihn innerlich ebensosehr mit der Aristokratie, wie sie ihn aeusserlich mit derselben verflocht. Schwachkoepfig wie er war, ward Pompeius auf der so bedenklich rasch und leicht erklommenen Ruhmeshoehe vom Schwindel ergriffen. Gleich als wolle er seine duerr prosaische Natur durch die Parallele mit der poetischsten aller Heldengestalten selber verhoehnen, fing er an sich mit Alexander dem Grossen zu vergleichen und sich fuer einen einzigen Mann zu halten, dem es nicht gezieme, bloss einer von den fuenfhundert roemischen Ratsherren zu sein. In der Tat war niemand mehr geschaffen, in ein aristokratisches Regiment als Glied sich einzufuegen, als er. Pompeius’ wuerdevolles Aeussere, seine feierliche Foermlichkeit, seine persoenliche Tapferkeit, sein ehrbares Privatleben, sein Mangel an aller Initiative haetten ihm, waere er zweihundert Jahre frueher geboren worden, neben Quintus Maximus und Publius Decius einen ehrenvollen Platz gewinnen moegen; zu der Wahlverwandtschaft, die zwischen Pompeius und der Masse der Buergerschaft und des Senats zu allen Zeiten bestand, hat diese echt optimatische und echt roemische Mediokritaet nicht am wenigsten beigetragen. Auch in seiner Zeit noch haette es eine klare und ansehnliche Stellung fuer ihn gegeben, wofern er damit sich genuegen liess, der Feldherr des Rates zu sein, zu dem er von Haus aus bestimmt war. Es genuegte ihm nicht und so geriet er in die verhaengnisvolle Lage, etwas anderes sein zu wollen als er sein konnte. Bestaendig trachtete er nach einer Sonderstellung im Staat und wenn sie sich darbot, konnte er sich nicht entschliessen, sie einzunehmen; mit tiefer Erbitterung nahm er es auf, wenn Personen und Gesetze nicht unbedingt vor ihm sich beugten, und doch trat er selbst mit nicht bloss affektierter Bescheidenheit ueberall auf als einer von vielen Gleichberechtigten und zitterte vor dem blossen Gedanken, etwas Verfassungswidriges zu beginnen. Also bestaendig in gruendlicher Spannung mit und doch zugleich der gehorsame Diener der Oligarchie, bestaendig gepeinigt von einem Ehrgeiz, der vor seinem eigenen Ziele erschrickt, verfloss ihm in ewigem innerem Widerspruch freudelos sein vielbewegtes Leben. Ebensowenig als Pompeius kann Marcus Crassus zu den unbedingten Anhaengern der Oligarchie gezaehlt werden. Er ist eine fuer diese Epoche hoechst charakteristische Figur. Wie Pompeius, dem er im Alter um wenige Jahre voranging, gehoerte auch er zu dem Kreise der hohen roemischen Aristokratie, hatte die gewoehnliche standesmaessige Erziehung erhalten und gleich Pompeius unter Sulla im Italischen Kriege mit Auszeichnung gefochten. An geistiger Begabung, literarischer Bildung und militaerischem Talent weit zurueckstehend hinter vielen seinesgleichen, ueberfluegelte er sie durch seine grenzenlose Ruehrigkeit und durch die Beharrlichkeit, mit der er rang, alles zu besitzen und zu bedeuten. Vor allen Dingen warf er sich in die Spekulation. Gueterkaeufe waehrend der Revolution begruendeten sein Vermoegen; aber er verschmaehte keinen Erwerbszweig; er betrieb das Baugeschaeft in der Hauptstadt ebenso grossartig wie vorsichtig; er ging mit seinen Freigelassenen bei den mannigfaltigsten Unternehmungen in Kompagnie; er machte in und ausser Rom, selbst oder durch seine Leute den Bankier; er Schoss seinen Kollegen Im Senat Geld vor und unternahm es, fuer ihre Rechnung wie es fiel Arbeiten auszufuehren oder Richterkollegien zu bestechen. Waehlerisch im Profitmachen war er eben nicht. Schon bei den Sullanischen Aechtungen war ihm eine Faelschung in den Listen nachgewiesen worden, weshalb Sulla sich von da an in Staatsgeschaeften seiner nicht weiter bedient hatte; die Erbschaft nahm er darum nicht weniger, weil die Testamentsurkunde, in der sein Name stand, notorisch gefaelscht war; er hatte nichts dagegen, wenn seine Meier die kleinen Anlieger ihres Herrn von ihren Laendereien gewaltsam oder heimlich verdraengten. Uebrigens vermied er offene Kollisionen mit der Kriminaljustiz und lebte als echter Geldmann selbst buergerlich und einfach. Auf diesem Wege ward Crassus binnen wenig Jahren aus einem Mann von gewoehnlichem senatorischen, der Herr eines Vermoegens, das nicht lange vor seinem Tode nach Bestreitung ungeheurer ausserordentlicher Ausgaben sich noch auf 170 Mill. Sesterzen (13 Mill. Taler) belief: er war der reichste Roemer geworden und damit zugleich eine politische Groesse. Wenn nach seiner Aeusserung niemand sich reich nennen durfte, der nicht aus seinen Zinsen ein Kriegsheer zu unterhalten vermochte, so war, wer dies vermochte, kaum noch ein blosser Buerger. In der Tat war Crassus’ Blick auf ein hoeheres Ziel gerichtet als auf den Besitz der gefuelltesten Geldkiste in Rom. Er liess es sich keine Muehe verdriessen, seine Verbindungen auszudehnen. Jeden Buerger der Hauptstadt wusste er beim Namen zu gruessen. Keinem Bittenden versagte er seinen Beistand vor Gericht. Zwar die Natur hatte nicht viel fuer ihn als Sprecher getan: seine Rede war trocken, der Vortrag eintoenig, er hoerte schwer; aber sein zaeher Sinn, den keine Langeweile abschreckte wie kein Genuss abzog, ueberwand die Hindernisse. Nie erschien er unvorbereitet, nie extemporierte er, und so ward er ein allzeit gesuchter und allzeit fertiger Anwalt, dem es keinen Eintrag tat, dass ihm nicht leicht eine Sache zu schlecht war und dass er nicht bloss durch sein Wort, sondern auch durch seine Verbindungen und vorkommenden Falls durch sein Gold auf die Richter einzuwirken verstand. Der halbe Rat war ihm verschuldet; seine Gewohnheit, den Freunden Geld ohne Zinsen auf beliebige Rueckforderung vorzuschiessen, machte eine Menge einflussreicher Maenner von ihm abhaengig, um so mehr, da er als echter Geschaeftsmann keinen Unterschied unter den Parteien machte, ueberall Verbindungen unterhielt und bereitwillig jedem borgte, der zahlungsfaehig oder sonst brauchbar war. Die verwegensten Parteifuehrer, die ruecksichtslos nach allen Seiten hin ihre Angriffe richteten, hueteten sich, mit Crassus anzubinden; man verglich ihn dem Stier der Herde, den zu reizen fuer keinen raetlich war. Dass ein so gearteter und so gestellter Mann nicht nach niedrigen Zielen streben konnte, leuchtet ein; und, anders als Pompeius, wusste Crassus genau wie ein Bankier, worauf und womit er politisch spekulierte. Seit Rom stand, war daselbst das Kapital eine politische Macht; die Zeit war von der Art, dass dem Golde wie dem Eisen alles zugaenglich schien. Wenn in der Revolutionszeit eine Kapitalistenaristokratie daran hatte denken moegen, die Oligarchie der Geschlechter zu stuerzen, so durfte auch ein Mann wie Crassus die Blicke hoeher erheben als zu den Rutenbuendeln und dem gestickten Mantel der Triumphatoren. Augenblicklich war er Sullaner und Anhaenger des Senats; allein er war viel zu sehr Finanzmann, um einer bestimmten politischen Partei sich zu eigen zu geben und etwas anderes zu verfolgen als seinen persoenlichen Vorteil. Warum sollte Crassus, der reichste und der intriganteste Mann in Rom und kein scharrender Geizhals, sondern ein Spekulant im groessten Massstab, nicht spekulieren auch auf die Krone? Vielleicht vermochte er allein es nicht, dies Ziel zu erreichen; aber er hatte ja schon manches grossartige Gesellschaftsgeschaeft gemacht: es war nicht unmoeglich, dass auch hierfuer ein passender Teilnehmer sich darbot. Es gehoerte zur Signatur der Zeit, dass ein mittelmaessiger Redner und Offizier, ein Politiker, der seine Ruehrigkeit fuer Energie, seine Begehrlichkeit fuer Ehrgeiz hielt, der im Grunde nichts hatte als ein kolossales Vermoegen und das kaufmaennische Talent, Verbindungen anzuknuepfen – dass ein solcher Mann, gestuetzt auf die Allmacht der Koterien und Intrigen, den ersten Feldherren und Staatsmaennern der Zeit sich ebenbuertig achten und mit ihnen um den hoechsten Preis ringen durfte, der dem politischen Ehrgeiz winkt. In der eigentlichen Opposition, sowohl unter den liberalen Konservativen als unter den Popuhren, hatten die Stuerme der Revolution mit erschreckender Gruendlichkeit aufgeraeumt. Unter jenen war der einzig uebriggebliebene namhafte Mann Gaius Cotta (630 bis ca. 681 124 -73), der Freund und Bundesgenosse des Drusus und deswegen im Jahre 663 (91) verbannt, sodann durch Sullas Krieg zurueckgefuehrt in die Heimat; er war ein kluger Mann und ein tuechtiger Anwalt, aber weder durch das Gewicht seiner Partei noch durch das seiner Persoenlichkeit zu mehr berufen als zu einer achtbaren Nebenrolle. In der demokratischen Partei zog unter dem jungen Nachwuchs der vierundzwanzigjaehrige Gaius Iulius Caesar (geb. 12. Juli 652? 102) ^2 die Blicke von Freund und Feind auf sich. Seine Verschwaegerung mit Marius und Cinna – seines Vaters Schwester war Marius’ Gemahlin gewesen, er selbst mit Cinnas Tochter vermaehlt -; die mutige Weigerung des kaum dem Knabenalter entwachsenen Juenglings, nach dem Befehl des Diktators seiner jungen Gemahlin Cornelia den Scheidebrief zuzusenden, wie es doch im gleichen Falle Pompeius getan; ein keckes Beharren auf dem ihm von Marius zugeteilten, von Sulla aber wieder aberkannten Priesteramt; seine Irrfahrten waehrend der ihm drohenden und muehsam durch Fuerbitte seiner Verwandten abgewandten Aechtung; seiner Tapferkeit in den Gefechten vor Mytilene und in Kilikien, die dem zaertlich erzogenen und fast weiblich stutzerhaften Knaben niemand zugetraut hatte; selbst die Warnungen Sullas vor dem “Knaben im Unterrock”, in dem mehr als ein Marius stecke – alles dies waren ebenso viele Empfehlungen in den Augen der demokratischen Partei. Indes an Caesar konnten doch nur Hoffnungen fuer die Zukunft sich knuepfen; und die Maenner, die durch ihr Alter und ihre Stellung im Staat schon jetzt berufen gewesen sein wuerden, der Zuegel der Partei und des Staates sich zu bemaechtigen, waren saemtliche tot oder geaechtet. So war die Fuehrerschaft der Demokratie in Ermangelung eines wahrhaft Berufenen fuer jeden zu haben, dem es belieben mochte, sich zum Vertreter der unterdrueckten Volksfreiheit aufzuwerfen; und in dieser Weise kam sie an Marcus Aemilius Lepidus, einen Sullaner, der aus mehr als zweideutigen Beweggruenden ueberging in das Lager der Demokratie. Einst ein eifriger Optimat und stark beteiligt bei den ueber die Gueter der Geaechteten abgehaltenen Auktionen, hatte er als Statthalter von Sizilien die Provinz so arg gepluendert, dass ihm eine Anklage drohte, und, um dieser zu entgehen, sich in die Opposition geworfen. Es war ein Gewinn von zweifelhaftem Werte. Zwar ein bekannter Name, ein vornehmer Mann, ein hitziger Redner auf dem Markt war damit der Opposition erworben; aber Lepidus war ein unbedeutender und unbesonnener Kopf, der weder im Rate noch im Felde verdiente, an der Spitze zu stehen. Nichtsdestoweniger hiess die Opposition ihn willkommen, und dem neuen Demokratenfuehrer gelang es nicht bloss, seine Anklaeger von der Fortsetzung des gegen ihn begonnenen Angriffs abzuschrecken, sondern auch, seine Wahl zum Konsul fuer 676 (78) durchzusetzen, wobei ihm uebrigens ausser den in Sizilien erpressten Schaetzen auch Pompeius’ albernes Bestreben foerderlich war, bei dieser Gelegenheit Sulla und den reinen Sullanern zu zeigen, was er vermoege. Da also, als Sulla starb, die Opposition an Lepidus wieder ein Haupt gefunden hatte und da dieser ihr Fuehrer der hoechste Beamte des Staats geworden war, so liess sich der nahe Ausbruch einer neuen Revolution in der Hauptstadt mit Sicherheit vorhersehen. —————————————————— ^2 Als Caesars Geburtsjahr pflegt man das Jahr 654 (100) anzusetzen, weil er nach Sueton (Caes. 88), Plutarch (Caes. 69) und Appian (civ. 2 149) bei seinem Tode (15. Maerz 710 44) im 56. Jahre stand; womit auch die Angabe, dass er zur Zeit der Sullanischen Proskription (672 82) achtzehn Jahre alt gewesen (Vell. 2, 41), ungefaehr uebereinstimmt. Aber in unaufloeslichem Widerspruch damit steht es, dass Caesar im Jahre 689 (65) die Aedilitaet, 692 (62) die Praetur, 695 (59) das Konsulat bekleidet hat und jene Aemter nach den Annalgesetzen fruehestens resp. im 37/38., 40/41. und 43/44. Lebensjahr bekleidet werden durften. Es ist nicht abzusehen, wie Caesar saemtliche kurulischen Aemter zwei Jahre vor der gesetzlichen Zeit bekleidet haben, noch weniger, dass hiervon nirgends Erwaehnung geschehen sein sollte. Vielmehr legen diese Tatsachen die Vermutung nahe, dass er, da sein Geburtstag unbezweifelt auf den 12. Juli fiel, nicht 654 (100), sondern 652 (102) geboren ist, also im Jahre 672 (82) im 20/21. Lebensjahre stand und nicht im 56., sondern 57 Jahre 8 Monate alt starb. Fuer diesen letzteren Ansatz laesst sich ferner geltend machen, was man auffallenderweise dagegen angefuehrt hat, dass Caesar “paene puer” von Marius und Cinna zum Flamen des Jupiter bestellt wurde (Vell. 2, 43); denn Marius starb im Januar 668 (86), wo Caesar nach dem gewoehnlichen Ansatz dreizehn Jahre und sechs Monate alt, also nicht “beinahe”, wie Velleius sagt, sondern wirklich noch Knabe und aus diesem Grunde eines solchen Priestertums kaum faehig war. War er dagegen im Juli 652 (102) geboren, so stand er bei dem Tode des Marius im sechzehnten Lebensjahr; und dazu stimmt die Bezeichnung bei Velleius wie die allgemeine Regel, dass buergerliche Stellungen nicht vor Ablauf des Knabenalters uebernommen werden. Zu diesem letzteren Ansatz passt es ferner allein, dass die um den Ausbruch des Buergerkrieges von Caesar geschlagenen Denare mit der Zahl LII, wahrscheinlich dem Lebensjahr, bezeichnet sind; denn als er begann, war Caesar hiernach etwas ueber 52 Jahre alt. Auch ist es nicht so verwegen, wie es uns an regelmaessige und amtliche Geburtslisten Gewoehnten erscheint, in dieser Hinsicht unsere Gewaehrsmaenner eines Irrtum zu zeihen. Jene vier Angaben koennen sehr wohl alle auf eine gemeinschaftliche Quelle zurueckgehen und duerfen ueberhaupt, da fuer die aeltere Zeit vor dem Beginn der acta diurna die Angaben ueber die Geburtsjahre auch der bekanntesten und hoechstgestellten Roemer, zum Beispiel ueber das des Pompeius, in der auffallendsten Weise schwanken, auf keine sehr hohe Glaubwuerdigkeit Anspruch machen. Vgl. Roemisches Staatsrecht, Bd. 1, S. 570. In dem ‘Leben Caesars’ von Napoleon III. (Bd. 2, Kap. 1) ist hiergegen eingewandt worden, teils dass das Annalgesetz fuer Caesars Geburtsjahr nicht auf 652 (102), sondern 651 (103) fuehren wuerde, teils besonders, dass auch sonst Faelle bekannt sind, wo dasselbe nicht befolgt worden ist. Allein die erste Behauptung beruht auf einem Versehen; denn wie Ciceros Beispiel zeigt, forderte das Annalgesetz nur, dass bei Antritt des Amtes das 43. Lebensjahr begonnen, nicht dass es zurueckgelegt sei. Die behaupteten Ausnahmen aber von der Regel treffen saemtlich nicht zu. Wenn Tacitus (ann. 11, 22) sagt, dass man ehemals bei der Vergebung der Aemter gar keine Ruecksicht auf das Alter genommen und Konsulat und Diktatur an ganz junge Leute uebertragen habe, so hat er natuerlich, wie auch alle Erklaerer anerkennen, dabei die aeltere Zeit im Sinne, vor Erlass der Annalgesetze, das Konsulat des dreiundzwanzigjaehrigen M. Valerius Corvus und aehnliche Faelle. Dass Lucullus das hoechste Amt vor dem gesetzlichen Alter empfing, ist falsch; es wird nur berichtet (Cic. ac. 2. 1, 1), dass auf Grund einer uns nicht naeher bekannten Ausnahmeklausel zur Belohnung fuer irgendwelche von ihm verrichtete Tat er von dem gesetzlichen zweijaehrigen Intervall zwischen Aedilitaet und Praetur dispensiert war – in der Tat war er 675 Aedil, wahrscheinlich 677 Praetor, 680 Konsul. Dass der Fall des Pompeius ein gaenzlich verschiedener ist, liegt auf der Hand; aber auch von Pompeius wird mehrfach ausdruecklich gemeldet (Cic. imp. Cn. Pomp. 21, 62; App. civ. 3, 88), dass der Senat ihn von den Altersgesetzen entband. Dass dies fuer Pompeius geschah, der als sieggekroenter Oberfeldherr und Triumphator, an der Spitze eines Heeres und seit seiner Koalition mit Crassus auch einer maechtigen Partei, sich um das Konsulat bewarb, ist ebenso begreiflich, als es im hoechsten Grade auffallend sein wuerde, wenn dasselbe fuer Caesar bei seiner Bewerbung um die minderen Aemter geschehen sein sollte, wo er wenig mehr bedeutete als andere politische Anfaenger; und noch viel auffallender ist es, dass wohl von jener selbstverstaendlichen Ausnahme, aber nicht von dieser mehr als seltsamen sich Erwaehnung findet, so nahe solche Erwaehnungen, namentlich im Hinblick auf den 21jaehrigen Konsul Caesar den Sohn auch gelegen haben wuerden (vgl. z. B. App. civ. 3, 88). Wenn aus diesen unzutreffenden Beispielen dann die Folgerung gezogen wird, dass “man in Rom das Gesetz wenig beachtet habe, wenn es sich um ausgezeichnete Maenner handelte”, so ist ueber Rom und die Roemer wohl nie etwas Irrigeres gesagt worden als dieser Satz. Die Groesse des roemischen Gemeinwesens wie nicht minder die seiner grossen Feldherren und Staatsmaenner beruht vor allen Dingen darauf, dass das Gesetz auch fuer sie galt. ——————————————— Schon frueher aber als die Demokraten in der Hauptstadt hatten sich in Spanien die demokratischen Emigranten wieder geregt. Die Seele dieser Bewegung war Quintus Sertorius. Dieser vorzuegliche Mann, geboren in Nursia im Sabinerland, war von Haus aus zart und selbst weich organisiert – die fast schwaermerische Liebe fuer seine Mutter Raia zeigt es – und zugleich von der ritterlichsten Tapferkeit, wie die aus dem Kimbrischen, dem Spanischen und dem Italischen Krieg heimgebrachten ehrenvollen Narben bewiesen. Obwohl als Redner gaenzlich ungeschult, erregte er durch den natuerlichen Fluss und die treffende Sicherheit seiner Rede die Bewunderung der gelernten Sachwalter. Sein ungemeines militaerisches und staatsmaennisches Talent hatte er namentlich in dem von den Demokraten so ueber die Massen elend und kopflos gefuehrten Revolutionskrieg Gelegenheit gefunden in glaenzendem Kontrast zu beweisen: anerkanntermassen war er der einzige demokratische Offizier, der den Krieg vorzubereiten und zu leiten verstand, und der einzige demokratische Staatsmann, der dem gedankenlosen Treiben und Wueten seiner Partei mit staatsmaennischer Energie entgegentrat. Seine spanischen Soldaten nannten ihn den neuen Hannibal und nicht bloss deswegen, weil er gleich diesem im Kriege ein Auge eingebuesst hatte. Er erinnert in der Tat an den grossen Phoeniker durch seine ebenso verschlagene als mutige Kriegfuehrung, sein seltenes Talent, den Krieg durch den Krieg zu organisieren, seine Gewandtheit, fremde Nationen in sein Interesse zu ziehen und seinen Zwecken dienstbar zu machen, seine Besonnenheit im Glueck und Unglueck, seine erfinderische Raschheit in der Benutzung seiner Siege wie in der Abwendung der Folgen seiner Niederlagen. Man darf zweifeln, ob irgendein roemischer Staatsmann der frueheren oder der gegenwaertigen Zeit an allseitigem Talent mit Sertorius sich vergleichen laesst. Nachdem Sullas Feldherren ihn gezwungen hatten, aus Spanien zu weichen, hatte er an den spanischen und afrikanischen Kuesten ein unstetes Abenteuerleben gefuehrt, bald im Bunde, bald im Kriege mit den auch hier einheimischen kilikischen Piraten und den Haeuptlingen der schweifenden Staemme Libyens. Selbst hierhin hatte die siegreiche roemische Restauration ihn verfolgt; als er Tingis (Tanger) belagerte, war dem Fuersten der Stadt zu Hilfe aus dem roemischen Afrika ein Korps unter Pacciaecus erschienen; aber Pacciaecus ward von Sertorius voellig geschlagen und Tingis genommen. Auf das weithin erschallende Geruecht von solchen Kriegstaten des roemischen Fluechtlings sandten die Lusitaner, die trotz ihrer angeblichen Unterwerfung unter die roemische Oberhoheit tatsaechlich ihre Unabhaengigkeit behaupteten und jaehrlich mit den Statthaltern des Jenseitigen Spaniens fochten, Botschaft an Sertorius nach Afrika, um ihn zu sich einzuladen und ihm das Feldherrnamt ueber ihre Miliz zu uebertragen. Sertorius, der zwanzig Jahre zuvor unter Titus Didius in Spanien gedient hatte und die Hilfsquellen des Landes kannte, beschloss, der Einladung Folge zu leisten, und schiffte mit Zuruecklassung eines kleinen Postens an der mauretanischen Kueste nach Spanien sich ein (um 674 80). Die Meerenge, die Spanien und Afrika scheidet, war besetzt durch ein roemisches, von Cotta gefuehrtes Geschwader; sich durchzuschleichen war nicht moeglich; so schlug Sertorius sich durch und gelangte gluecklich zu den Lusitanern. Es waren nicht mehr als zwanzig lusitanische Gemeinden, die sich unter seine Befehle stellten, und auch von “Roemern” musterte er nur 2600 Mann, von denen ein guter Teil Uebergetretene aus dem Heer des Pacciaecus oder roemisch bewaffnete Afrikaner waren. Sertorius erkannte es, dass alles darauf ankam, den losen Guerillaschwaermen einen festen Kern roemisch organisierter und disziplinierter Truppen zu geben; er verstaerkte zu diesem Ende seine mitgebrachte Schar durch Aushebung von 4000 Fusssoldaten und 700 Reitern und rueckte mit dieser einen Legion und den Schwaermen der spanischen Freiwilligen gegen die Roemer vor. Den Befehl im jenseitigen Spanien fuehrte Lucius Fufidius, der durch seine unbedingte und bei den Aechtungen erprobte Hingebung an Sulla vom Unteroffizier zum Propraetor aufgerueckt war; am Baetis ward dieser voellig geschlagen; 2000 Roemer bedeckten die Walstatt. Eilige Boten beriefen den Statthalter der benachbarten Ebroprovinz, Marcus Domitius Calvinus, um dem weiteren Vordringen der Sertorianer ein Ziel zu setzen; bald erschien (675 79) auch der erprobte Feldherr Quintus Metellus, von Sulla gesandt, um den unbrauchbaren Fufidius im suedlichen Spanien abzuloesen. Aber es gelang doch nicht, des Aufstandes Herr zu werden. In der Ebroprovinz wurde von dem Unterfeldherrn des Sertorius, dem Quaestor Lucius Hirtuleius, nicht bloss Calvinus’ Heer vernichtet und er selbst getoetet, sondern auch Lucius Manlius, der Statthalter des jenseitigen Galliens, der seinem Kollegen zu Hilfe mit drei Legionen die Pyrenaeen ueberschritten, von demselben tapferen Fuehrer vollstaendig geschlagen. Muehsam rettete Manlius sich mit weniger Mannschaft nach Ilerda (Lerida) und von da in seine Provinz, auf welchem Marsch er noch durch einen Ueberfall der aquitanischen Voelkerschaften sein ganzes Gepaeck einbuesste. Im Jenseitigen Spanien drang Metellus in das lusitanische Gebiet ein; allein es gelang Sertorius, waehrend der Belagerung von Longobriga (unweit der Tajomuendung) eine Abteilung unter Aquinus in einen Hinterhalt zu locken und dadurch Metellus selbst zur Aufhebung der Belagerung und zur Raeumung des lusitanischen Gebietes zu zwingen. Sertorius folgte ihm, schlug am Anas (Guadiana) das Korps des Thorius und tat dem feindlichen Oberfeldherrn selbst unsaeglichen Abbruch im kleinen Kriege. Metellus, ein methodischer und etwas schwerfaelliger Taktiker, war in Verzweiflung ueber diesen Gegner, der die Entscheidungsschlacht beharrlich verweigerte, aber Zufuhr und Kommunikationen ihm abschnitt und von allen Seiten ihn bestaendig umschwaermte. Diese ungemeinen Erfolge, die Sertorius in beiden spanischen Provinzen erfocht, waren im so bedeutsamer, als sie nicht bloss durch die Waffen errungen wurden und nicht bloss militaerischer Natur waren. Die Emigrierten als solche waren nicht furchtbar; auch an einzelnen Erfolgen der Lusitaner unter diesem oder jenem fremden Fuehrer war wenig gelegen. Aber mit dem sichersten politischen und patriotischen Takt trat Sertorius, sowie er irgend es vermochte, statt als Condottiere der gegen Rom empoerten Lusitaner auf als roemischer Feldherr und Statthalter von Spanien, in welcher Eigenschaft er ja von den ehemaligen Machthabern dorthin gesandt worden war. Er fing an ^3, aus den Haeuptern der Emigration einen Senat zu bilden, der bis auf dreihundert Mitglieder steigen und in roemischen Formen die Geschaefte leiten und die Beamten ernennen sollte. Er betrachtete sein Heer als ein roemisches und besetzte die Offiziersstellen ohne Ausnahme mit Roemern. Den Spaniern gegenueber war er der Statthalter, der kraft seines Amtes Mannschaft und sonstige Unterstuetzung von ihnen einmahnte; aber freilich ein Statthalter, der statt des gewohnten despotischen Regiments bemueht war, die Provinzialen an Rom und an sich persoenlich zu fesseln. Sein ritterliches Wesen machte ihm das Eingehen auf die spanische Weise leicht und erweckte bei dem spanischen Adel fuer den wahlverwandten wunderbaren Fremdling die gluehendste Begeisterung; nach der auch hier wie bei den Kelten und den Deutschen bestehenden kriegerischen Sitte der Gefolgschaft schworen Tausende der edelsten Spanier, zu ihrem roemischen Feldherrn treu bis zum Tode zu stehen, und Sertorius fand in ihnen zuverlaessigere Waffengefaehrten als in seinen Landsleuten und Parteigenossen. Er verschmaehte es nicht, auch den Aberglauben der roheren spanischen Voelkerschaften fuer sich nutzbar zu machen und seine kriegerischen Plaene als Befehle der Diana durch die weisse Hindin der Goettin sich zutragen zu lassen. Durchaus fuehrte er ein gerechtes und gelindes Regiment. Seine Truppen mussten, wenigstens so weit sein Auge und sein Arm reichten, die strengste Mannszucht halten; so mild er im allgemeinen im Strafen war, so unerbittlich erwies er sich bei jedem von seinen Leuten auf befreundetem Gebiet veruebten Frevel. Aber auch auf dauernde Erleichterung der Lage der Provinzialen war er bedacht; er setzte die Tribute herab und wies die Soldaten an, sich fuer den Winter Baracken zu erbauen, wodurch die drueckende Last der Einquartierung wegfiel und damit eine Quelle unsaeglicher Uebelstaende und Quaelereien verstopft ward. Fuer die Kinder der vornehmen Spanier ward in Osca (Huesca) eine Akademie errichtet, in der sie den in Rom gewoehnlichen hoeheren Jugendunterricht empfingen, roemisch und griechisch reden und die Toga tragen lernten – eine merkwuerdige Massregel, die keineswegs bloss den Zweck hatte, von den Verbuendeten die in Spanien nun einmal unvermeidlichen Geiseln in moeglichst schonender Form zu nehmen, sondern vor allem ein Ausfluss und eine Steigerung war des grossen Gedankens des Gaius Gracchus und der demokratischen Partei, die Provinzen allmaehlich zu romanisieren. Hier zuerst wurde der Anfang dazu gemacht, die Romanisierung nicht durch Ausrottung der alten Bewohner und Ersetzung derselben durch italische Emigranten zu bewerkstelligen, sondern die Provinzialen selbst zu romanisieren. Die Optimaten in Rom spotteten ueber den elenden Emigranten, den Ausreisser aus der italischen Armee, den letzten von der Raeuberbande des Carbo; der duerftige Hohn fiel auf sie selber zurueck. Man rechnete die Massen, die gegen Sertorius ins Feld gefuehrt worden waren, mit Einschluss des spanischen Landsturms auf 120000 Mann zu Fuss, 2000 Bogenschuetzen und Schleuderer und 6000 Reiter. Gegen diese ungeheure Uebermacht hatte Sertorius nicht bloss sich in einer Kette von gluecklichen Gefechten und Siegen behauptet, sondern auch den groessten Teil Spaniens in seine Gewalt gebracht. In der jenseitigen Provinz sah sich Metellus beschraenkt auf die unmittelbar von seinen Truppen besetzten Gebietsteile; hier hatten alle Voelkerschaften, die es konnten, Partei fuer Sertorius ergriffen. In der diesseitigen gab es nach den Siegen des Hirtuleius kein roemisches Heer mehr. Sertorianische Emissaere durchstreiften das ganze gallische Gebiet; schon fingen auch hier die Staemme an, sich zu regen, und zusammengerottete Haufen, die Alpenpaesse unsicher zu machen. Die See endlich gehoerte ebensosehr den Insurgenten wie der legitimen Regierung, da die Verbuendetem jener, die Korsaren, in den spanischen Gewaessern fast so maechtig waren wie die roemischen Kriegsschiffe. Auf dem Vorgebirge der Diana (jetzt Denia zwischen Valencia und Alicante) richtet Sertorius jenen eine feste Station ein, wo sie teils den roemischen Schiffen auflauerten, die den roemischen Seestaedten und dem Heer ihren Bedarf zufuehrten, teils den Insurgenten die Waren abnahmen oder lieferten, teils deren Verkehr mit Italien und Kleinasien vermittelten. Dass diese allzeit fertigen Vermittler von der lohenden Brandstaette ueberall hin die Funken trugen, war in hohem Grade besorgniserregend, zumal in einer Zeit, wo ueberall im Roemischen Reiche so viel Brennstoff aufgehaeuft war. —————————————————- ^3 Wenigstens die Grundzuege dieser Organisation muessen in die Jahre 674 (80), 675 (79), 676 (78) fallen, wenngleich die Ausfuehrung ohne Zweifel zum guten Teil erst den spaeteren Jahren angehoert. —————————————————- In diese Verhaeltnisse hinein traf Sullas ploetzlicher Tod (676 78). Solange der Mann lebte, auf dessen Stimme ein geuebtes und zuverlaessiges Veteranenheer jeden Augenblick sich zu erheben bereit war, mochte die Oligarchie den fast, wie es schien, entschiedenen Verlust der spanischen Provinzen an die Emigranten sowie die Wahl des Fuehrers der Opposition daheim zum hoechsten Beamten des Reiches allenfalls als voruebergehende Missgeschicke ertragen und, freilich in ihrer kurzsichtigen Art, aber doch nicht ganz mit Unrecht, darauf sich verlassen, dass entweder die Opposition es nicht wagen werde, zum offenen Kampfe zu schreiten, oder dass, wenn sie es wage, der zweimalige Erretter der Oligarchie dieselbe zum dritten Male herstellen werde. Jetzt war der Stand der Dinge ein anderer geworden. Die demokratischen Heisssporne in der Hauptstadt, laengst ungeduldig ueber das endlose Zoegern und angefeuert durch die glaenzenden Botschaften aus Spanien, draengten zum Losschlagen, und Lepidus, bei dem augenblicklich die Entscheidung stand, ging mit dem ganzen Eifer des Renegaten und mit der ihm persoenlich eigenen Leichtfertigkeit darauf ein. Einen Augenblick schien es, als solle an der Fackel, die den Scheiterhaufen des Regenten anzuendete, auch der Buergerkrieg sich entflammen; indes Pompeius’ Einfluss und die Stimmung der Sullanischen Veteranen bestimmten die Opposition, das Leichenbegaengnis des Regenten noch ruhig voruebergehen zu lassen. Allein nur um so offener traf man sodann die Einleitung zur abermaligen Revolution. Bereits hallte der Markt der Hauptstadt wider von Anklagen gegen den “karikierten Romulus” und seine Schergen. Noch bevor der Gewaltige die Augen geschlossen hatte, wurden von Lepidus und seinen Anhaengern der Umsturz der Sullanischen Verfassung, die Wiederherstellung der Getreideverteilungen, die Wiedereinsetzung der Volkstribune in den vorigen Stand, die Zurueckfuehrung der gesetzwidrig Verbannten, die Rueckgabe der konfiszierten Laendereien offen als das Ziel der Agitation bezeichnet. Jetzt wurden mit den Geaechteten Verbindungen angeknuepft; Marcus Perpenna, in der cinnanischen Zeit Statthalter von Sizilien, fand sich ein in der Hauptstadt. Die Soehne der Sullanischen Hochverraeter, auf denen die Restaurationsgesetze mit unertraeglichem Drucke lasteten, und ueberhaupt die namhafteren marianisch gesinnten Maenner wurden zum Beitritt aufgefordert; nicht wenige, wie der junge Lucius Cinna, schlossen sich an; andere freilich folgten dem Beispiele Gaius Caesars, der zwar auf die Nachricht von Sullas Tode und Lepidus’ Plaenen aus Asien heimgekehrt war, aber nachdem er den Charakter des Fuehrers und der Bewegung genauer kennengelernt hatte, vorsichtig sich zurueckzog. In der Hauptstadt ward auf Lepidus’ Rechnung in den Weinhaeusern und den Bordellen gezecht und geworben. Unter den etruskischen Missvergnuegten endlich ward eine Verschwoerung gegen die neue Ordnung der Dinge angezettelt ^4. ———————————————————- ^4 Die folgende Erzaehlung beruht wesentlich auf dem Bericht des Licinianus, der, so truemmerhaft er auch gerade hier ist, dennoch ueber die Insurrektion des Lepidus wichtige Aufschluesse gibt. ——————————————————— Alles dies geschah unter den Augen der Regierung. Der Konsul Catulus sowie die verstaendigeren Optimaten drangen darauf, sofort entschieden einzuschreiten und den Aufstand im Keime zu ersticken; allein die schlaffe Majoritaet konnte sich nicht entschliessen, den Kampf zu beginnen, sondern versuchte so lange wie moeglich, durch ein System von Transaktionen und Konzessionen sich selber zu taeuschen. Lepidus ging zunaechst auf dasselbe auch seinerseits ein. Das Ansinnen, die Zurueckgabe der den Volkstribunen entzogenen Befugnisse zu beantragen, wies er nicht minder ab wie sein Kollege Catulus. Dagegen wurde die Gracchische Kornverteilung in beschraenktem Umfang wiederhergestellt. Es scheinen danach nicht wie nach dem Sempronischen Gesetz alle, sondern nur eine bestimmte Anzahl – vermutlich 40000 – aermere Buerger die frueheren Spenden, wie sie Gracchus bestimmt hatte, fuenf Scheffel monatlich fuer den Preis von 6 1/3 Assen (2_ Groschen) empfangen zu haben – eine Bestimmung, aus der dem Aerar ein jaehrlicher Nettoverlust von mindestens 300000 Talern erwuchs ^5. Die Opposition, durch diese halbe Nachgiebigkeit natuerlich ebensowenig befriedigt wie entschieden ermutigt, trat in der Hauptstadt nur um so schroffer und gewaltsamer auf; und in Etrurien, dem rechten Herd aller italischen Proletarierinsurrektionen, brach bereits der Buergerkrieg aus: die expropriierten Faesulaner setzten sich mit gewaffneter Hand wieder in den Besitz ihrer verlorenen Gueter und mehrere der von Sulla daselbst angesiedelten Veteranen kamen bei dem Auflauf um. Der Senat beschloss auf diese Nachricht, die beiden Konsuln dorthin zu senden, um Truppen aufzubieten und den Aufstand zu unterdruecken ^6. Es war nicht moeglich, kopfloser zu verfahren. Der Senat konstatierte der Insurrektion gegenueber seine Schwachmuetigkeit und seine Besorgnisse durch die Wiederherstellung des Getreidegesetzes: er gab, um vor dem Strassenlaerm Ruhe zu haben, dem notorischen Haupte der Insurrektion ein Heer; und wenn die beiden Konsuln durch den feierlichsten Eid, den man zu ersinnen vermochte, verpflichtet wurden, die ihnen anvertrauten Waffen nicht gegeneinander zu kehren, so gehoerte wahrlich die daemonische Verstocktheit oligarchischer Gewissen dazu, um ein solches Bollwerk gegen die drohende Insurrektion aufrichten zu moegen. Natuerlich ruestete Lepidus in Etrurien nicht fuer den Senat, sondern fuer die Insurrektion, hoehnisch erklaerend, dass der geleistete Eid nur fuer das laufende Jahr ihn binde. Der Senat setzte die Orakelmaschine in Bewegung, um ihn zur Rueckkehr zu bestimmen, und uebertrug ihm die Leitung der bevorstehenden Konsulwahlen: allein Lepidus wich aus, und waehrend die Boten deswegen kamen und gingen und ueber Vergleichsvorschlaegen das Amtsjahr zu Ende lief, schwoll seine Mannschaft zu einem Heer an. Als endlich im Anfang des folgenden Jahres (677 77) an Lepidus der bestimmte Befehl des Senats erging, nun ungesaeumt zurueckzukehren, weigerte der Prokonsul trotzig den Gehorsam und forderte seinerseits die Erneuerung der ehemaligen tribunizischen Gewalt und die Wiedereinsetzung der gewalttaetig Vertriebenen in ihr Buergerrecht und ihr Eigentum, ueberdies fuer sich die Wiederwahl zum Konsul fuer das laufende Jahr, das heisst die Tyrannis in gesetzlicher Form. Damit war der Krieg erklaert. Die Senatspartei konnte, ausser auf die Sullanischen Veteranen, deren buergerliche Existenz durch Lepidus bedroht ward, zaehlen auf das von dem Prokonsul Catulus unter die Waffen gerufene Heer; und auf die dringenden Mahnungen der Einsichtigen, namentlich des Philippus, wurde demgemaess die Verteidigung der Hauptstadt und die Abwehr der in Etrurien stehenden Hauptmacht der Demokratenpartei dem Catulus vom Senat uebertragen, auch gleichzeitig Gnaeus Pompeius mit einem anderen Haufen ausgesandt, um seinem ehemaligen Schuetzling das Potal zu entreissen, das dessen Unterbefehlshaber Marcus Brutus besetzt hielt. Waehrend Pompeius rasch seinen Auftrag vollzog und den feindlichen Feldherrn eng in Mutina einschloss, erschien Lepidus vor der Hauptstadt, um, wie einst Marius, sie mit stuermender Hand fuer die Revolution zu erobern. Das rechte Tiberufer geriet ganz in seine Gewalt und er konnte sogar den Fluss ueberschreiten; auf dem Marsfelde, hart unter den Mauern der Stadt, wurde die entscheidende Schlacht geschlagen. Allein Catulus siegte; Lepidus musste zurueckweichen nach Etrurien, waehrend eine andere Abteilung unter Lepidus’ Sohn Scipio sich in die Festung Alba warf. Damit war der Aufstand im wesentlichen zu Ende. Mutina ergab sich an Pompeius; Brutus wurde trotz des ihm zugestandenen sicheren Geleits nachtraeglich auf Befehl des Pompeius getoetet. Ebenso ward Alba nach langer Belagerung durch Hunger bezwungen und der Fuehrer gleichfalls hingerichtet. Lepidus, durch Catulus und Pompeius von zwei Seiten gedraengt, lieferte am etrurischen Gestade noch ein Treffen, um nur den Rueckzug sich zu ermoeglichen, und schiffte dann in dem Hafen Cosa nach Sardinien sich ein, von wo aus er der Hauptstadt die Zufuhr abzuschneiden und die Verbindung mit den spanischen Insurgenten zu gewinnen hoffte. Allein der Statthalter der Insel leistete ihm kraeftigen Widerstand, und er selbst starb nicht lange nach seiner Landung an der Schwindsucht (677 77), womit in Sardinien der Krieg zu Ende war. Ein Teil seiner Soldaten verlief sich; mit dem Kern der Insurrektionsarmee und mit wohlgefuellten Kassen begab sich der gewesene Praetor Marcus Perpenna nach Ligurien und von da nach Spanien zu der Sertorianern. ———————————————– ^5 Unter dem Jahre 676 (78) berichtet Licinianus (p. 23 Pertz, p. 42 Bonn): (Lepidus) [Ie]gem frumentari[am] nullo resistente l[argi]tus est ut annon[ae] quinque modi popu[lo da]rentur. Danach hat also das Gesetz der Konsuln des Jahres 681 (73) Marcus Terentius Lucullus und Gaius Cassius Varus, welches Cicero (Verr. 3, 70, 136; 5, 21, 52) erwaehnt und auf das auch Sallust (hist. 3, 61, 19 Dietsch) sich bezieht, die fuenf Scheffel nicht erst wiederhergestellt, sondern nur durch Regulierung der sizilischen Getreideankaeufe die Kornspenden gesichert und vielleicht im einzelnen manches geaendert. Dass das Sempronische Gesetz jedem in Rom domizilierenden Buerger gestattete, an den Getreidespenden teilzunehmen, steht fest. Allein die spaetere Getreideverteilung hat diesen Umfang nicht gehabt; denn da das Monatkorn der roemischen Buergerschaft wenig mehr als 33000 Medimnen = 198000 roem. Scheffel betrug (Cic. Verr. 3, 30, 72), so empfingen damals nur etwa 40000 Buerger Getreide, waehrend doch die Zahl der in der Hauptstadt domizilierenden Buerger sicher weit betraechtlicher war. Diese Einrichtung ruehrt wahrscheinlich aus dem Octavischen Gesetze her, das im Gegensatze zu der uebertriebenen Sempronischen eine “maessige, fuer den Staat ertraegliche und fuer das gemeine Volk notwendige Spendung” (Cic. off. 2, 21, 72; Brut. 62, 222) einfuehrte; und allem Anschein nach ist ebendies Gesetz die von Licinianus erwaehnte lex frumentaria. Dass Lepidus sich auf einen solchen Ausgleichsvorschlag einliess, stimmt zu seinem Verhalten in Betreff der Restitution des Tribunats. Ebenso passt es zu den Verhaeltnissen, dass die Demokratie durch die hiermit herbeigefuehrte Regulierung der Kornverteilung sich keineswegs befriedigt fand (Sallust a. a. O.). Die Verlustsumme ist danach berechnet, dass das Getreide mindestens den doppelten Wert hatte; wenn die Piraterie oder andere Ursachen die Kornpreise in die Hoehe trieben, musste sich ein noch weit betraechtlicherer Schaden herausstellen. ^6 Aus den Truemmern des Licinianischen Berichts (p. 44 Bonn) geht auch dies hervor, dass der Beschluss des Senats: “uti Lepidus et Catulus decretis exercitibus maturrume proficiscerentur” (Sall. hist. 1, 14 Dietsch) – nicht von einer Entsendung der Konsuln vor Ablauf des Konsulats in ihre prokonsularischen Provinzen zu verstehen ist, wozu es auch an jedem Grunde gefehlt haben wuerde, sondern von der Sendung nach Etrurien gegen die aufstaendischen Faesulaner, ganz aehnlich wie im Catilinarischen Kriege der Konsul Gaius Antonius ebendorthin geschickt ward. Wenn Philippus bei Sallust (hist. 1, 84, 4) sagt dass Lepidus ob seditionem provinciam cum exercitu adeptus est so ist dies damit vollstaendig im Einklang; denn das ausserordentliche konsularische Kommando in Etrurien ist ebensowohl eine provincia wie das ordentliche prokonsularische im Narbonensischen Gallien. ———————————————— Ueber Lepidus also hafte die Oligarchie gesiegt; dagegen sah sie sich durch die gefaehrliche Wendung des Sertorianischen Krieges zu Zugestaendnissen genoetigt, die den Buchstaben wie den Geist der Sullanischen Verfassung verletzten. Es war schlechterdings notwendig, ein starkes Heer und einen faehigen Feldherrn nach Spanien zu senden; und Pompeius gab sehr deutlich zu verstehen, dass er diesen Auftrag wuensche oder vielmehr fordere. Die Zumutung war stark. Es war schon uebel genug, dass man diesen geheimen Gegner in dem Drange der Lepidianischen Revolution wieder zu einem ausserordentlichen Kommando hatte gelangen lassen; aber noch viel bedenklicher war es, mit Beseitigung aller von Sulla aufgestellten Regeln der Beamtenhierarchie einem Manne, der noch kein buergerliches Amt bekleidet hatte, eine der wichtigsten ordentlichen Provinzialstatthalterschaften in einer Art zu uebertragen, wobei an Einhaltung der gesetzlichen Jahresfrist nicht zu denken war. Die Oligarchie hatte somit, auch abgesehen von der ihrem Feldherrn Metellus schuldigen Ruecksicht, wohl Ursache, diesem neuen Versuch des ehrgeizigen Juenglings, seine Sonderstellung zu verewigen, allen Ernstes sich zu widersetzen; allein leicht war dies nicht. Zunaechst fehlte es ihr durchaus an einem fuer den schwierigen spanischen Feldherrnposten geeigneten Mann. Keiner der Konsuln des Jahres bezeigte Lust, sich mit Sertorius zu messen, und man musste es hinnehmen, was Lucius Philippus in voller Ratsversammlung sagte, dass unter den saemtlichen namhaften Senatoren nicht einer faehig und willig sei, in einem ernsthaften Kriege zu kommandieren. Vielleicht haette man dennoch hierueber sich hinweggesetzt und nach Oligarchenart, da man keinen faehigen Kandidaten hatte, die Stelle mit irgendeinem Lueckenbuesser ausgefuellt, wenn Pompeius den Befehl bloss gewuenscht und nicht ihn an der Spitze einer Armee gefordert haette. Catulus’ Weisungen, das Heer zu entlassen, hatte er bereits ueberhoert; es war mindestens zweifelhaft, ob die des Senats eine bessere Aufnahme finden wuerden, und die Folgen eines Bruchs konnte niemand berechnen – gar leicht konnte die Schale der Aristokratie emporschnellen, wenn in die entgegengesetzte das Schwert eines bekannten Generals fiel. So entschloss sich die Majoritaet zur Nachgiebigkeit. Nicht vom Volke, das hier, wo es um die Bekleidung eines Privatmannes mit der hoechsten Amtsgewalt sich handelte, verfassungsmaessig haette befragt werden muessen, sondern vom Senate empfing Pompeius die prokonsularische Gewalt und den Oberbefehl im diesseitigen Spanien und ging vierzig Tage nach dessen Empfang, im Sommer 677 (77), ueber die Alpen. Zunaechst fand der neue Feldherr im Keltenland zu tun, wo zwar eine foermliche Insurrektion nicht ausgebrochen, aber doch an mehreren Orten die Ruhe ernstlich gestoert worden war; infolgedessen Pompeius den Kantons der Volker- Arekomiker und der Helvier ihre Selbstaendigkeit entzog und sie unter Massalia legte. Auch ward von ihm durch Anlegung einer neuen Alpenstrasse ueber den Kottischen Berg (Mont Genevre; 2, 105) eine kuerzere Verbindung zwischen dem Potal und dem Keltenlande hergestellt. ueber dieser Arbeit verfloss die gute Jahreszeit: erst spaet im Herbst ueberschritt Pompeius die Pyrenaeen. Sertorius hatte inzwischen nicht gefeiert. Er hatte Hirtuleius in die jenseitige Provinz entsandt, um Metellus in Schach zu halten, und war selbst bemueht, seinen vollstaendigen Sieg in der diesseitigen zu verfolgen und sich auf Pompeius’ Empfang vorzubereiten. Die einzelnen keltiberischen Staedte, die hier noch zu Rom hielten, wurden angegriffen und eine nach der andern bezwungen; zuletzt, schon mitten im Winter, war das feste Contrebia (suedoestlich von Saragossa) gefallen. Vergeblich hatten die bedraengten Staedte Boten ueber Boten an Pompeius gesandt: er liess sich durch keine Bitten aus seinem gewohnten Geleise langsamen Vorschreitens bringen. Mit Ausnahme der Seestaedte, die durch die roemische Flotte verteidigt wurden, und der Distrikte der Indigeten und Laletaner im nordoestlichen Winkel Spaniens, wo Pompeius, als er endlich die Pyrenaeen ueberschritten, sich festsetzte und seine ungeuebten Truppen, um sie an die Strapazen zu gewoehnen, den Winter hindurch biwakieren liess, war am Ende des Jahres 677 (77) das ganze diesseitige Spanien durch Vertrag oder Gewalt von Sertorius abhaengig geworden, und die Landschaft am oberen und mittleren Ebro blieb seitdem die festeste Stuetze seiner Macht. Selbst die Besorgnis, die das frische roemische Heer und der gefeierte Name des Feldherrn in der Insurgentenarmee hervorrief, hatte fuer dieselbe heilsame Folgen. Marcus Perpenna, der bis dahin als Sertorius im Range gleich auf ein selbstaendiges Kommando ueber die von ihm aus Ligurien mitgebrachte Mannschaft Anspruch gemacht hatte, wurde auf die Nachricht von Pompeius’ Eintreffen in Spanien von seinen Soldaten genoetigt, sich unter die Befehle seines faehigeren Kollegen zu stellen. Fuer den Feldzug des Jahres 678 (76) verwandte Sertorius gegen Metellus wieder das Korps das Hirtuleius, waehrend Perpenna mit einem starken Heer am unteren Laufe des Ebro sich aufstellte, um Pompeius den Uebergang ueber diesen Fluss zu wehren, wenn er, wie zu erwarten war, in der Absicht, Metellus die Hand zu reichen, in suedlicher Richtung und, der Verpflegung seiner Truppen wegen, an der Kueste entlang marschieren wuerde. Zu Perpennas Unterstuetzung war zunaechst das Korps des Gaius Herennius bestimmt; weiter landeinwaerts, am oberen Ebro, holte Sertorius selbst die Unterwerfung einzelner, roemisch gesinnter Distrikte nach und hielt zugleich sich dort bereit, nach den Umstaenden Perpenna oder Hirtuleius zu Hilfe zu eilen. Auch diesmal war seine Absicht darauf gerichtet, jeder Hauptschlacht auszuweichen und den Feind durch kleine Kaempfe und Abschneiden der Zufuhr aufzureiben. Indes Pompeius erzwang gegen Perpenna den Uebergang ueber den Ebro und nahm Stellung am Fluss Pallantia bei Saguntum, unweit des Vorgebirgs der Diana, von wo aus, wie schon gesagt ward, die Sertorianer ihre Verbindungen mit Italien und dem Osten unterhielten. Es war Zeit, dass Sertorius selber erschien und die Ueberlegenheit seiner Truppenzahl und seines Genies gegen die groessere Tuechtigkeit der Soldaten seines Gegners in die Waagschale warf. Um die Stadt Lauro (am Xucar suedlich von Valencia), die sich fuer Pompeius erklaert hatte und deshalb von Sertorius belagert ward, konzentrierte der Kampf sich laengere Zeit. Pompeius strengte sich aufs aeusserste an, sie zu entsetzen; allein nachdem vorher ihm mehrere Abteilungen einzeln ueberfallen und zusammengehauen worden waren, sah sich der grosse Kriegsmann, ebenda er die Sertorianer umzingelt zu haben meinte und schon die Belagerten eingeladen hatte, dem Abfangen der Belagerungsarmee zuzuschauen, ploetzlich vollstaendig ausmanoevriert und musste, um nicht selber umzingelt zu werden, die Einnahme und Einaescherung der verbuendeten Stadt und die Abfuehrung der Einwohner nach Lusitanien von seinem Lager aus ansehen – ein Ereignis, das eine Reihe schwankend gewordener Staedte im mittleren und oestlichen Spanien wieder an Sertorius festzuhalten bestimmte. Gluecklicher focht inzwischen Metellus. In einem heftigen Treffen bei Italica (unweit Sevilla), das Hirtuleius unvorsichtig gewagt hatte und in dem beide Feldherrn persoenlich ins Handgemenge kamen, Hirtuleius auch verwundet ward, schlug er diesen und zwang ihn, das eigentliche roemische Gebiet zu raeumen und sich nach Lusitanien zu werfen. Dieser Sieg gestattete Metellus, sich mit Pompeius zu vereinigen. Die Winterquartiere 678/79 (76/75) nahmen beide Feldherren an den Pyrenaeen. Fuer den naechsten Feldzug 679 (75), beschlossen sie, den Feind in seiner Stellung bei Valentia gemeinschaftlich anzugreifen. Aber waehrend Metellus heranzog, bot Pompeius, um die Scharte von Lauro auszuwetzen und die gehofften Lorbeeren womoeglich allein zu gewinnen, vorher dem feindlichen Hauptheer die Schlacht an. Mit Freuden ergriff Sertorius die Gelegenheit, mit Pompeius zu schlagen, bevor Metellus eintraf. Am Flusse Sucro (Xucar) trafen die Heere aufeinander; nach heftigem Gefecht ward Pompeius auf dem rechten Fluegel geschlagen und selbst schwer verwundet vom Schlachtfelde weggetragen. Zwar siegte Afranius mit dem linken und nahm das Lager der Sertorianer, allein waehrend der Pluenderung von Sertorius ueberrascht, ward auch er gezwungen zu weichen. Haette Sertorius am folgenden Tage die Schlacht zu erneuern vermocht, Pompeius’ Heer waere vielleicht vernichtet worden. Allein inzwischen war Metellus herangekommen, hatte das gegen ihn aufgestellte Korps des Perpenna niedergerannt und dessen Lager genommen; es war nicht moeglich, die Schlacht gegen die beiden vereinigten Heere wiederaufzunehmen. Die Erfolge des Metellus, die Vereinigung der feindlichen Streitkraefte, das ploetzliche Stocken nach dem Sieg verbreiteten Schrecken unter den Sertorianern, und wie es bei spanischen Heeren nicht selten vorkam, verlief infolge dieses Umschwungs der Dinge sich der groesste Teil der sertorianischen Soldaten. Indes die Entmutigung verflog so rasch wie sie gekommen war; die weisse Hindin, die die militaerischen Plaene des Feldherrn bei der Menge vertrat, war bald wieder populaerer als je; in kurzer Zeit trat in der gleichen Gegend, suedlich von Saguntum (Murviedro), das fest an Rom hielt, Sertorius mit einer neuen Armee den Roemern entgegen, waehrend die sertorianischen Kaper den Roemern die Zufuhr von der Seeseite erschwerten und bereits im roemischen Lager der Mangel sich bemerklich machte. Es kam abermals zur Schlacht in den Ebenen des Turiaflusses (Guadalaviar), und lange schwankte der Kampf. Pompeius mit der Reiterei ward von Sertorius geschlagen und sein Schwager und Quaestor, der tapfere Lucius Memmius, getoetet; dagegen ueberwand Metellus den Perpenna und schlug den gegen ihn gerichteten Angriff der feindlichen Hauptarmee siegreich zurueck, wobei er selbst im Handgemenge eine Wunde empfing. Abermals zerstreute sich hierauf das Sertorianische Heer. Valentia, das Gaius Herennius fuer Sertorius besetzt hielt, ward eingenommen und geschleift. Roemischerseits mochte man einen Augenblick der Hoffnung sich hingeben mit dem zaehen Gegner fertig zu sein. Die Sertorianische Armee war verschwunden; die roemischen Truppen, tief in das Binnenland eingedrungen, belagerten den Feldherrn selbst in der Festung Clunia am oberen Duero. Allein waehrend sie vergeblich diese Felsenburg umstanden, sammelten sich anderswo die Kontingente der insurgierten Gemeinden; Sertorius entschluepfte aus der Festung und stand noch vor Ablauf des Jahres wieder als Feldherr an der Spitze einer Armee. Wieder mussten die roemischen Feldherrn mit der trostlosen Aussicht auf die unausbleibliche Erneuerung der sisypheischen Kriegsarbeit die Winterquartiere beziehen. Es war nicht einmal moeglich, sie in dem wegen der Kommunikation mit Italien und dem Osten so wichtigen, aber von Freund und Feind entsetzlich verheerten Gebiet von Valentia zu nehmen; Pompeius fuehrte seine Truppen zunaechst in das Gebiet der Vasconen ^7 (Biscaya) und ueberwinterte dann in dem der Vaccaeer (um Valladolid), Metellus gar in Gallien. ——————————————— ^7 In den neu gefundenen Sallustischen Bruchstuecken, welche dem Ende des Feldzuges von 75 anzugehoeren scheinen, gehoeren hierher die Worte: Romanus [exer]citus (des Pompeius) frumenti gra[tia r]emotus in Vascones i .. [it]emque Sertorius mon …o, cuius multum in[terer]at, ne ei perinde Asiae [iter et Italiae intercluderetur]. ——————————————— Fuenf Jahre waehrte also der Sertorianische Krieg und noch war weder hueben noch drueben ein Ende abzusehen. Unbeschreiblich litt unter demselben der Staat. Eine Bluete der italischen Jugend ging in den aufreibenden Strapazen dieser Feldzuege zugrunde. Die oeffentlichen Kassen entbehrten nicht bloss die spanischen Einnahmen, sondern hatten auch fuer die Besoldung und Verpflegung der spanischen Heere jaehrlich sehr ansehnliche Summen nach Spanien zu senden, die man kaum aufzubringen wusste. Dass Spanien veroedete und verarmte und die so schoen daselbst sich entfaltende roemische Zivilisation einen schweren Stoss erhielt, versteht sich von selbst, zumal bei einem so erbittert gefuehrten und nur zu oft die Vernichtung ganzer Gemeinden veranlassenden Insurrektionskrieg. Selbst die Staedte, die zu der in Rom herrschenden Partei hielten, hatten unsaegliche Not zu erdulden; die an der Kueste gelegenen mussten durch die roemische Flotte mit dem Notwendigen versehen werden, und die Lage der treuen binnenlaendischen Gemeinden war beinahe verzweifelt. Fast nicht weniger litt die gallische Landschaft, teils durch die Requisitionen an Zuzug zu Fuss und zu Pferde, an Getreide und Geld, teils durch die drueckende Last der Winterquartiere, die infolge der Missernte 680 (74) sich ins unertraegliche steigerte; fast alle Gemeindekassen waren genoetigt, zu den roemischen Bankiers ihre Zuflucht zu nehmen und eine erdrueckende Schuldenlast sich aufzubuerden. Feldherren und Soldaten fuehrten den Krieg mit Widerwillen. Die Feldherren waren getroffen auf einen an Talent weit ueberlegenen Gegner, auf einen langweilig zaehen Widerstand, auf einen Krieg sehr ernsthafter Gefahren und schwer erfochtener, wenig glaenzender Erfolge; es ward behauptet, dass Pompeius damit umgehe, sich aus Spanien abberufen und irgend anderswo ein erwuenschteres Kommando sich uebertragen zu lassen. Die Soldaten waren gleichfalls wenig erbaut von einem Feldzug, in dem es nicht allein weiter nichts zu holen gab als harte Schlaege und wertlose Beute, sondern auch ihr Sold ihnen hoechst unregelmaessig gezahlt ward; Pompeius berichtete Ende 679 (75) an den Senat, dass seit zwei Jahren der Sold im Rueckstand sei und das Heer sich aufzuloesen drohe. Einen ansehnlichen Teil dieser Uebelstaende haette die roemische Regierung allerdings zu beseitigen vermocht, wenn sie es ueber sich haette gewinnen koennen, den Spanischen Krieg mit minderer Schlaffheit, um nicht zu sagen mit besserem Willen zu fuehren. In der Hauptsache aber war es weder ihre Schuld noch die Schuld der Feldherren, dass ein so ueberlegenes Genie, wie Sertorius war, auf einem fuer den Insurrektions- und Korsarenkrieg so ueberaus guenstigen Boden aller numerischen und militaerischen Ueberlegenheit zum Trotz den kleinen Krieg Jahre und Jahre fortzufuehren vermochte. Ein Ende war hier so wenig abzusehen, dass vielmehr die Sertorianische Insurrektion sich mit andern gleichzeitigen Aufstaenden verschlingen und dadurch ihre Gefaehrlichkeit steigern zu wollen schien. Ebendamals ward auf allen Meeren mit den Flibustierflotten, ward in Italien mit den aufstaendischen Sklaven, in Makedonien mit den Voelkerschaften an der unteren Donau gefochten, und entschloss sich im Osten Koenig Mithradates, mitbestimmt durch die Erfolge der spanischen Insurrektion, das Glueck der Waffen noch einmal zu versuchen. Dass Sertorius mit den italischen und makedonischen Feinden Roms Verbindungen angeknuepft hat, laesst sich nicht bestimmt erweisen, obwohl er allerdings mit den Marianern in Italien in bestaendigem Verkehr stand; mit den Piraten dagegen hatte er schon frueher offenes Buendnis gemacht, und mit dem pontischen Koenig, mit welchem er laengst durch Vermittlung der an dessen Hof verweilenden roemischen Emigranten Einverstaendnisse unterhalten hatte, schloss er jetzt einen foermlichen Allianztraktat, in dem Sertorius dem Koenig die kleinasiatischen Klientelstaaten, nicht aber die roemische Provinz Asia abtrat, ueberdies ihm einen zum Fuehrer seiner Truppen geeigneten Offizier und eine Anzahl Soldaten zu senden versprach, der Koenig dagegen ihm 40 Schiffe und 3000 Talente (4´ Mill. Taler) zu ueberweisen sich anheischig machte. Schon erinnerten die klugen Politiker in der Hauptstadt an die Zeit, als Italien sich durch Philippos und durch Hannibal von Osten und von Westen aus bedroht sah; der neue Hannibal, meinte man, koenne, nachdem er, wie sein Vorfahr, Spanien durch sich selbst bezwungen, eben wie dieser mit den Steilkraeften Spaniens in Italien gar leicht frueher als Pompeius eintreffen, um, wie einst der Phoeniker, die Etrusker und Samniten gegen Rom unter die Waffen zu rufen. Indes dieser Vergleich war doch mehr witzig als richtig. Sertorius war bei weitem nicht stark genug, um das Riesenunternehmen Hannibals zu erneuern; er war verloren, wenn er Spanien verliess, an dessen Landes- und Volkseigentuemlichkeit all seine Erfolge hingen, und auch hier mehr und mehr genoetigt, der Offensive zu entsagen. Sein bewundernswertes Fuehrergeschick konnte die Beschaffenheit seiner Truppen nicht aendern; der spanische Landsturm blieb, was er war, unzuverlaessig wie die Welle und der Wind, bald in Massen bis zu 150000 Koepfen versammelt, bald wieder auf eine Handvoll Leute zusammengeschmolzen; in gleicher Weise blieben die roemischen Emigranten unbotmaessig, hoffaertig und eigensinnig. Die Waffengattungen, die laengeres Zusammenhalten der Korps erfordern, wie namentlich die Reiterei, waren natuerlich in seinem Heer sehr ungenuegend vertreten. Seine faehigsten Offiziere und den Kern seiner Veteranen rieb der Krieg allmaehlich auf, und auch die zuverlaessigsten Gemeinden fingen an, der Plackerei durch die Roemer und der Misshandlung durch die Sertorianischen Offiziere muede zu werden und Zeichen der Ungeduld und der schwankenden Treue zu geben. Es ist bemerkenswert, dass Sertorius, auch darin Hannibal gleich, niemals ueber die Hoffnungslosigkeit seiner Stellung sich getaeuscht hat; er liess keine Gegenheil voruebergehen, um einen Vergleich herbeizufuehren und waere jeden Augenblick bereit gewesen, gegen die Zusicherung, in seiner Heimat friedlich leben zu duerfen, seinen Kommandostab niederzulegen. Allein die politische Orthodoxie weiss nichts von Vergleich und Versoehnung. Sertorius durfte nicht rueckwaerts noch seitwaerts; unvermeidlich musste er weiter auf der einmal betretenen Bahn, wie sie auch schmaler und schwindelnder ward. Pompeius’ Vorstellungen in Rom, denen Mithradates’ Auftreten im Osten Nachdruck gab, hatten Erfolg. Er erhielt vom Senat die noetigen Gelder zugesandt und Verstaerkung durch zwei frische Legionen. So gingen die beiden Feldherren im Fruehjahr 680 (74) wieder an die Arbeit und ueberschritten aufs neue den Ebro. Das oestliche Spanien war infolge der Schlachten am Xucar und Guadalaviar den Sertorianern entrissen; der Kampf konzentrierte sich fortan am oberen und mittleren Ebro um die Hauptwaffenplaetze der Sertorianer Calagurris, Osca, Ilerda. Wie Metellus in den frueheren Feldzuegen das Beste getan hatte, so gewann er auch diesmal die wichtigsten Erfolge. Sein alter Gegner Hirtuleius, der ihm wieder entgegentrat, ward vollstaendig geschlagen und fiel selbst mit seinem Bruder – ein unersetzlicher Verlust fuer die Sertorianer. Sertorius, den die Ungluecksbotschaft erreichte, als er selbst im Begriff war, die ihm gegenueberstehenden Feinde anzugreifen, stiess den Boten nieder, damit die Nachricht die Seinigen nicht entmutigte; aber lange war die Kunde nicht zu verbergen. Eine Stadt nach der andern ergab sich. Metellus besetzte die keltiberischen Staedte Segobriga (zwischen Toledo und Cuenca) und Bilbilis (bei Calatayud). Pompeius belagerte Pallantia (Palencia oberhalb Valladolid), das aber Sertorius entsetzte und den Pompeius noetigte, sich auf Metellus zurueckzuziehen; vor Calagurris (Calahorra am oberen Ebro), wohin Sertorius sich geworfen, erlitten sie beide empfindliche Verluste. Dennoch konnten sie, als sie in die Winterquartiere gingen, Pompeius nach Gallien, Metellus in seine eigene Provinz, auf betraechtliche Erfolge zuruecksehen; ein grosser Teil der Insurgenten hatte sich gefuegt oder war mit den Waffen bezwungen worden. In aehnlicher Weise verlief der Feldzug des folgenden Jahres (681 78); in diesem war es vor allem Pompeius, der langsam, aber stetig das Gebiet der Insurrektion einschraenkte. Der Rueckschlag des Niedergangs ihrer Waffen auf die Stimmung im Insurgentenlager blieb nicht aus. Wie Hannibals wurden auch Sertorius’ kriegerische Erfolge notwendig immer geringer; man fing an, sein militaerisches Talent in Zweifel zu ziehen; er sei nicht mehr der alte, hiess es, er verbringe der Tag beim Schmaus oder beim Becher und verschleudere die Gelder wie die Stunden. Die Zahl der Ausreisser, der abfallenden Gemeinden mehrte sich. Bald kamen Plaene der roemischen Emigranten gegen das Leben des Feldherrn bei diesem zur Anzeige; sie klangen glaublich genug, zumal da so manche Offiziere der Insurgentenarmee, namentlich Perpenna, nur widerwillig sich unter den Oberbefehl des Sertorius gefuegt hatten und seit langem von den roemischen Statthaltern dem Moerder des feindlichen Oberfeldherrn Amnestie und ein hohes Blutgeld ausgelobt war. Sertorius entzog auf jene Inzichten hin die Hut seiner Person den roemischen Soldaten und gab sie erlesenen Spaniern. Gegen die Verdaechtigen selbst schritt er mit furchtbarer, aber notwendiger Strenge ein und verurteilte, ohne wie sonst Ratmaenner zuzuziehen, verschiedene Angeschuldigte zum Tode; den Freunden, hiess es darauf in den Kreisen der Missvergnuegten, sei er jetzt gefaehrlicher als den Feinden. Bald ward eine zweite Verschwoerung entdeckt, die ihren Sitz in seinem eigenen Stabe hatte; wer zur Anzeige gebracht ward, musste fluechtig werden oder sterben, aber nicht alle wurden verraten und die uebrigen Verschworenen, unter ihnen vor allem Perpenna, fanden hierin nur einen Antrieb, sich zu eilen. Man befand sich im Hauptquartier zu Osca. Hier ward auf Perpennas Veranstaltung dem Feldherrn ein glaenzender Sieg berichtet, den seine Truppen erfochten haetten; und bei der zur Feier dieses Sieges von Perpenna veranstalteten festlichen Mahlzeit erschien denn auch Sertorius, begleitet, wie er pflegte, von seinem spanischen Gefolge. Gegen den sonstigen Brauch im Sertorianischen Hauptquartier ward das Fest bald zum Bacchanal; wueste Reden flogen ueber den Tisch, und es schien, als wenn einige der Gaeste Gelegenheit suchten, einen Wortwechsel zu beginnen; Sertorius warf sich auf seinem Lager zurueck und schien den Laerm ueberhoeren zu wollen. Da klirrte eine Trinkschale auf den Boden: Perpenna gab das verabredete Zeichen. Marcus Antonius, Sertorius’ Nachbar bei Tische, fuehrte den ersten Streich gegen ihn, und da der Getroffene sich umwandte und sich aufzurichten versuchte, stuerzte der Moerder sich ueber ihn und hielt ihn nieder, bis die uebrigen Tischgaeste, saemtlich Teilnehmer der Verschwoerung, sich auf die Ringenden warfen und den wehrlosen, an beiden Armen festgehaltenen Feldherrn erstachen (682 72). Mit ihm starben seine treuen Begleiter. So endigte einer der groessten, wo nicht der groesste Mann, den Rom bisher hervorgebracht, ein Mann, der unter gluecklicheren Umstaenden vielleicht der Regenerator seines Vaterlandes geworden sein wuerde, durch den Verrat der elenden Emigrantenbande, die er gegen die Heimat zu fuehren verdammt war. Die Geschichte liebt die Coriolane nicht; auch mit diesem hochherzigsten, genialsten, bedauernswertesten unter allen hat sie keine Ausnahme gemacht. Die Erbschaft des Gemordeten dachten die Moerder zu tun. Nach Sertorius’ Tode machte Perpenna als der hoechste unter den roemischen Offizieren der spanischen Armee Ansprueche auf den Oberbefehl. Man fuegte sich, aber misstrauend und widerstrebend. Wie man auch gegen Sertorius bei seinen Lebzeiten gemurrt hatte, der Tod setzte den Helden wieder in sein Recht ein, und gewaltig brauste der Unwille der Soldaten auf, als bei der Publikation seines Testaments unter den Namen der Erben auch der des Perpenna verlesen ward. Ein Teil der Soldaten, namentlich die lusitanischen, verliefen sich; die zurueckgebliebenen beschlich die Ahnung, dass mit Sertorius’ Tode der Geist und das Glueck von ihnen gewichen sei. Bei der ersten Begegnung mit Pompeius wurden denn auch die elend gefuehrten und mutlosen Insurgentenhaufen vollstaendig zersprengt und unter anderen Offizieren auch Perpenna gefangen eingebracht. Durch die Auslieferung der Korrespondenz des Sertorius, die zahlreiche angesehene Maenner in Italien kompromittiert haben wuerde, suchte der Elende sich das Leben zu erkaufen; indes Pompeius befahl, die Papiere ungelesen zu verbrennen und ueberantwortete ihn sowie die uebrigen Insurgentenchefs dem Scharfrichter. Die entkommenen Emigranten verliefen sich und gingen groesstenteils in die mauretanischen Wuesten oder zu den Piraten. Einem Teil derselben eroeffnete bald darauf das Plotische Gesetz, das namentlich der junge Caesar eifrig unterstuetzte, die Rueckkehr in die Heimat; diejenigen aber, die von ihnen an dem Morde des Sertorius teilgenommen hatten, starben, mit Ausnahme eines einzigen, saemtlich eines gewaltsamen Todes. Osca und ueberhaupt die meisten Staedte, die im Diesseitigen Spanien noch zu Sertorius gehalten hatten, oeffneten dem Pompeius jetzt freiwillig ihre Tore; nur Uxama (Osma), Clunia und Calagurris mussten mit den Waffen bezwungen werden. Die beiden Provinzen wurden neu geordnet; in der jenseitigen erhoehte Metellus den schuldigsten Gemeinden die Jahrestribute; in der diesseitigen schaltete Pompeius belohnend und bestrafend, wie zum Beispiel Calagurris seine Selbstaendigkeit verlor und unter Osca gelegt ward. Einen Haufen Sertorianischer Soldaten, der in den Pyrenaeen sich zusammengefunden hatte, bewog Pompeius zur Unterwerfung und siedelte ihn nordwaerts der Pyrenaeen bei Lugudunum (St. Bertrand im Departement Haute- Garonne) als die Gemeinde der “Zusammengelaufenen” (convenae) an. Auf der Passhoehe der Pyrenaeen wurden die roemischen Siegeszeichen errichtet; am Ende des Jahres 683 (71) zogen Metellus und Pompeius mit ihren Heeren durch die Strassen der Hauptstadt, um den Dank der Nation fuer die Besiegung der Spanier dem Vater Jovis auf dem Kapitol darzubringen. Noch ueber das Grab hinaus schien Sullas Glueck mit seiner Schoepfung zu sein und dieselbe besser zu schirmen als die zu ihrer Hut bestellten unfaehigen und schlaffen Waechter. Die italische Opposition hatte durch die Unfaehigkeit und Vorschnelligkeit ihres Fuehrers, die Emigration durch inneren Zwist sich selber gesprengt. Diese Niederlagen, obwohl weit mehr das Werk ihrer eigenen Verkehrtheit und Zerfahrenheit als der Anstrengungen ihrer Gegner, waren doch ebensoviele Siege der Oligarchie. Noch einmal waren die kurulischen Stuehle befestigt. 2. Kapitel Die Sullanische Restaurationsherrschaft Als nach Unterdrueckung der den Senat in seiner Existenz bedrohenden Cinnanischen Revolution es der restaurierten Senatsregierung moeglich ward, der inneren und aeusseren Sicherheit des Reiches wiederum die erforderliche Aufmerksamkeit zu widmen, zeigten sich der Angelegenheiten genug, deren Loesung nicht verschoben werden konnte, ohne die wichtigsten Interessen zu verletzen und gegenwaertige Unbequemlichkeiten zu kuenftigen Gefahren anwachsen zu lassen. Abgesehen von der sehr ernsten Verwicklung in Spanien war es schlechterdings notwendig teils die Barbaren in Thrakien und den Donaulaendern, die Sulla bei seinem Marsch durch Makedonien nur oberflaechlich hatte zuechtigen koennen, nachhaltig zu Paaren zu treiben und die verwirrten Verhaeltnisse an der Nordgrenze der griechischen Halbinsel militaerisch zu regulieren, teils den ueberall, namentlich aber in den oestlichen Gewaessern herrschenden Flibustierbanden gruendlich das Handwerk zu legen, teils endlich in die unklaren kleinasiatischen Verhaeltnisse eine bessere Ordnung zu bringen. Der Friede, den Sulla im Jahre 670 (84) mit Koenig Mithradates von Pontos abgeschlossen hatte und von dem der Vertrag mit Murena 673 (81) wesentlich eine Wiederholung war, trug durchaus den Stempel eines notduerftig fuer den Augenblick hergestellten Provisoriums; und das Verhaeltnis der Roemer zu Koenig Tigranes von Armenien, mit dem sie doch faktisch Krieg gefuehrt hatten, war in diesem Frieden ganz unberuehrt geblieben. Mit Recht hatte Tigranes darin die stillschweigende Erlaubnis gefunden, die roemischen Besitzungen in Asien in seine Gewalt zu bringen. Wenn dieselben nicht preisgegeben bleiben sollten, war es notwendig in Guete oder Gewalt mit dem neuen Grosskoenig Asiens sich abzufinden. Betrachten wir, nachdem in dem vorhergehenden Kapitel die mit dem demokratischen Treiben zusammenhaengende Bewegung in Italien und Spanien und deren Ueberwaeltigung durch die senatorische Regierung dargestellt wurde, in diesem das aeussere Regiment, wie die von Sulla eingesetzte Behoerde es gefuehrt oder auch nicht gefuehrt hat. Man erkennt noch Sullas kraeftige Hand in den energischen Massregeln, die in der letzten Zeit seiner Regentschaft der Senat ungefaehr gleichzeitig gegen die Sertorianer, gegen die Dalmater und Thraker und gegen die kilikischen Piraten verfuegte. Die Expedition nach der griechisch-illyrischen Halbinsel hatte den Zweck, teils die barbarischen Staemme botmaessig oder doch zahm zu machen, die das ganze Binnenland vom Schwarzen bis zum Adriatischen Meere durchstreiften und unter denen vornehmlich die Besser (im grossen Balkan), wie man damals sagte, selbst unter den Raeubern als Raeuber verrufen waren, teils die namentlich im dalmatischen Litoral sich bergenden Korsaren zu vernichten. Wie gewoehnlich ging der Angriff gleichzeitig von Dalmatien und von Makedonien aus, in welcher letzteren Provinz ein Heer von fuenf Legionen hierzu gesammelt ward. Der gewesene Praetor Gaius Cosconius, welcher in Dalmatien den Befehl fuehrte, durchstreifte das Land nach allen Richtungen und erstuermte nach zweijaehriger Belagerung die Festung Salona. In Makedonien versuchte der Prokonsul Appius Claudius (676 bis 678 78-76) zunaechst sich an der makedonisch-thrakischen Grenze der Berglandschaften am linken Ufer des Karasu zu bemeistern. Von beiden Seiten ward der Krieg mit arger Wildheit gefuehrt; die Thraker zerstoerten die eroberten Ortschaften und metzelten die Gefangenen nieder und die Roemer vergalten Gleiches mit Gleichem. Ernstliche Erfolge aber wurden nicht erreicht; die beschwerlichen Maersche und die bestaendigen Gefechte mit den zahlreichen und tapferen Gebirgsbewohnern dezimierten nutzlos die Armee; der Feldherr selbst erkrankte und starb. Sein Nachfolger Gaius Scribonius Curio (679-681 75-73) wurde durch mancherlei Hindernisse, namentlich auch durch einen nicht unbedeutenden Militaeraufstand bewogen, die schwierige Expedition gegen die Thraker fallen zu lassen und dafuer sich nach der makedonischen Nordgrenze zu wenden, wo er die schwaecheren Dardaner (in Serbien) unterwarf und bis an die Donau gelangte. Erst der tapfere und faehige Marcus Lucullus (682, 683 72, 71) rueckte wieder gegen Osten vor, schlug die Besser in ihren Bergen, nahm ihre Hauptstadt Uscudama (Adrianopel) und zwang sie, der roemischen Oberhoheit sich zu fuegen. Der Koenig der Odrysen, Sadalas, und die griechischen Staedte an der Ostkueste noerdlich und suedlich vom Balkangebirge: Istropolis, Tomoi, Kallatis, Odessos (bei Varna), Mesembria und andere, wurden abhaengig von den Roemern; Thrakien, von dem die Roemer bisher kaum mehr inne gehabt hatten als die attalischen Besitzungen auf dem Chersones, ward jetzt ein freilich wenig botmaessiger Teil der Provinz Makedonien. Aber weit nachteiliger als die immer doch auf einen geringen Teil des Reiches sich beschraenkenden Raubzuege der Thraker und Dardaner war fuer den Staat wie fuer die einzelnen die Piraterie, die immer weiter um sich griff und immer fester sich organisierte. Der Seeverkehr war auf dem ganzen Mittelmeer in ihrer Gewalt. Italien konnte weder seine Produkte aus-, noch das Getreide aus den Provinzen einfuehren; dort hungerten die Leute, hier stockte wegen Mangels an Absatz die Bestellung der Getreidefelder. Keine Geldsendung, kein Reisender war mehr sicher; die Staatskasse erlitt die empfindlichsten Verluste; eine grosse Anzahl angesehener Roemer wurde von den Korsaren aufgebracht und musste mit schweren Summen sich ranzionieren, wenn es nicht gar den Piraten beliebte, an einzelnen derselben das Blutgericht zu vollstrecken, das dann auch wohl mit wildem Humor gewuerzt ward. Die Kaufleute, ja die nach dem Osten bestimmten roemischen Truppenabteilungen fingen an, ihre Fahrten vorwiegend in die unguenstige Jahreszeit zu verlegen und die Winterstuerme weniger zu scheuen als die Piratenschiffe, die freilich selbst in dieser Jahreszeit doch nicht ganz vom Meere verschwanden. Aber wie empfindlich die Sperrung der See war, sie war eher zu ertragen als die Heimsuchung der griechischen und kleinasiatischen Inseln und Kuesten. Ganz wie spaeter in der Normannenzeit liefen die Korsarengeschwader bei den Seestaedten an und zwangen sie, entweder mit grossen Summen sich loszukaufen, oder belagerten und stuermten sie mit gewaffneter Hand. Wenn unter Sullas Augen nach geschlossenem Frieden mit Mithradates Samothrake, Klazomenae, Samos, Iassos von den Piraten ausgeraubt wurden (670 84), so kann man sich denken, wie es da zuging, wo weder eine roemische Flotte noch ein roemisches Heer in der Naehe stand. All die alten reichen Tempel an den griechischen und kleinasiatischen Kuesten wurden nach der Reihe gepluendert; allein aus Samothrake soll ein Schatz von 1000 Talenten (1500000 Talern) weggefuehrt worden sein. Apollon, heisst es bei einem roemischen Dichter dieser Zeit, ist durch die Piraten so arm geworden, dass er, wenn die Schwalbe bei ihm auf Besuch ist, aus all seinen Schaetzen auch nicht ein Quentchen Gold mehr ihr vorzeigen kann. Man rechnete ueber vierhundert von den Piraten eingenommene oder gebrandschatzte Ortschaften, darunter Staedte wie Knidos, Samos, Kolophon; aus nicht wenigen frueher bluehenden Insel- und Kuestenplaetzen wanderte die gesamte Bevoelkerung aus, um nicht von den Piraten fortgeschleppt zu werden. Nicht einmal im Binnenland mehr war man vor denselben sicher; es kam vor, dass sie ein bis zwei Tagemaersche von der Kueste belegene Ortschaften ueberfielen. Die entsetzliche Verschuldung, der spaeterhin alle Gemeinden im griechischen Osten erliegen, stammt grossenteils aus diesen verhaengnisvollen Zeiten. Das Korsarenwesen hatte seinen Charakter gaenzlich veraendert. Es waren nicht mehr dreiste Schnapphaehne, die in den kretischen Gewaessern zwischen Kyrene und dem Peloponnes – in der Flibustiersprache dem “goldenen Meer” – von dem grossen Zug des italisch-orientalischen Sklaven- und Luxushandels ihren Tribut nahmen; auch nicht mehr bewaffnete Sklavenfaenger, die “Krieg, Handel und Piraterie” ebenmaessig nebeneinander betrieben, es war ein Korsarenstaat mit einem eigentuemlichen Gemeingeist; mit einer festen, sehr respektablen Organisation, mit einer eigenen Heimat und den Anfaengen einer Symmachie, ohne Zweifel auch mit bestimmten politischen Zwecken. Die Flibustier nannten sich Kiliker; in der Tat fanden auf ihren Schiffen die Verzweifelten und Abenteurer aller Nationen sich zusammen: die entlassenen Soeldner von den kretischen Werbeplaetzen, die Buerger der vernichteten Ortschaften Italiens, Spaniens und Asiens, die Soldaten und Offiziere aus Fimbrias und Sertorius’ Heeren, ueberhaupt die verdorbenen Leute aller Nationen, die gehetzten Fluechtlinge aller ueberwundenen Parteien, alles was elend und verwegen war – und wo war nicht Jammer und Frevel in dieser unseligen Zeit? Es war keine zusammengelaufene Diebesbande mehr, sondern ein geschlossener Soldatenstaat, in dem die Freimaurerei der Aechtung und der Missetat an die Stelle der Nationalitaet trat und innerhalb dessen das Verbrechen, wie so oft, vor sich selbst sich rettete in den hochherzigsten Gemeinsinn. In einer zuchtlosen Zeit, wo Feigheit und Unbotmaessigkeit alle Bande der gesellschaftlichen Ordnung erschlafft hatten, mochten die legitimen Gemeinwesen sich ein Muster nehmen an diesem Bastardstaat der Not und Gewalt, in den allein von allen das unverbruechliche Zusammenstehen, der kameradschaftliche Sinn, die Achtung vor dem gegebenen Treuwort und den selbstgewaehlten Haeuptern, die Tapferkeit und die Gewandtheit sich gefluechtet zu haben schienen. Wenn auf der Fahne dieses Staats die Rache an der buergerlichen Gesellschaft geschrieben war, die, mit Recht oder mit Unrecht, seine Mitglieder von sich ausgestossen hatte, so liess sich darueber streiten, ob diese Devise viel schlechter war als die der italischen Oligarchie und des orientalischen Sultanismus, die im Zuge schienen, die Welt unter sich zu teilen. Die Korsaren wenigstens fuehlten jedem legitimen Staate sich ebenbuertig; von ihrem Raeuberstolz, ihrer Raeuberpracht und ihrem Raeuberhumor zeugt noch manche echte Flibustiergeschichte toller Lustigkeit und ritterlicher Banditenweise; sie meinten, und ruehmten sich dessen, in einem gerechten Krieg mit der ganzen Welt zu leben; was sie darin gewannen, das hiess ihnen nicht Raubgut, sondern Kriegsbeute; und wenn dem ergriffenen Flibustier in jedem roemischen Hafen das Kreuz gewiss war, so nahmen auch sie als ihr Recht in Anspruch, jeden ihrer Gefangenen hinrichten zu duerfen. Ihre militaerisch-politische Organisation war namentlich seit dem Mithradatischen Krieg festgeschlossen. Ihre Schiffe, groesstenteils “Mauskaehne”, das heisst kleine, offene, schnellsegelnde Barken, nur zum kleineren Teil Zwei- und Dreidecker, fuhren jetzt regelmaessig in Geschwader vereinigt und unter Admiralen, deren Barken in Gold und Purpur zu glaenzen pflegten. Dem bedrohten Kameraden, mochte er auch voellig unbekannt sein, weigerte kein Piratenkapitaen den erbetenen Beistand; der mit einem aus ihrer Mitte abgeschlossene Vertrag ward von der ganzen Gesellschaft unweigerlich anerkannt, aber auch jede einem zugefuegte Unbill von allen geahndet. Ihre rechte Heimat war das Meer von den Saeulen des Herkules bis in die syrischen und aegyptischen Gewaesser; die Zufluchtsstaetten, deren sie fuer sich und ihre schwimmenden Haeuser auf dem Festlande bedurften, gewaehrten ihnen bereitwillig die mauretanischen und dalmatischen Gestade, die Insel Kreta, vor allem die an Vorspruengen und Schlupfwinkeln reiche, die Hauptstrasse des Seehandels jener Zeit beherrschende und so gut wie herrenlose Suedkueste Kleinasiens. Der lykische Staedtebund daselbst und die pamphylischen Gemeinden hatten wenig zu bedeuten; die seit 652 (102) in Kilikien bestehende roemische Station reichte zur Beherrschung der weitlaeufigen Kueste bei weitem nicht aus; die syrische Herrschaft ueber Kilikien war immer nur nominell gewesen und seit kurzem gar ersetzt worden durch die armenische, deren Inhaber als echter Grosskoenig um das Meer gar nicht sich kuemmerte und dasselbe bereitwillig den Kilikern zur Pluenderung preisgab. So war es kein Wunder, wenn die Korsaren hier gediehen wie nirgends sonst. Nicht bloss besassen sie hier ueberall am Ufer Signalplaetze und Stationen, sondern auch weiter landeinwaerts, in den abgelegensten Verstecken des unwegsamen und gebirgigen lykischen, pamphylischen, kilikischen Binnenlandes, hatten sie sich ihre Felsschloesser erbaut, in denen, waehrend sie selbst zur See fuhren, sie ihre Weiber, Kinder und Schaetze bargen, auch wohl in gefaehrlichen Zeiten selbst dort eine Zufluchtsstaette fanden. Namentlich gab es solche Korsarenschloesser in grosser Zahl in dem rauhen Kilikien, dessen Waldungen zugleich den Piraten das vortrefflichste Holz zum Schiffbau lieferten und wo deshalb ihre hauptsaechlichsten Schiffbaustaetten und Arsenale sich befanden. Es war nicht zu verwundern, dass dieser geordnete Militaerstaat unter den mehr oder minder sich selber ueberlassenen und sich selber verwaltenden griechischen Seestaedten sich eine feste Klientel bildete, die mit den Piraten wie mit einer befreundeten Macht auf Grund bestimmter Vertraege in Handelsverkehr trat und der Aufforderung der roemischen Statthalter, Schiffe gegen sie zu stellen, nicht nachkam; wie denn zum Beispiel die nicht unbetraechtliche Stadt Side in Pamphylien den Piraten gestattete auf ihren Werften Schiffe zu bauen und die gefangenen Freien auf ihrem Marktplatz feilzubieten. Eine solche Seeraeuberschaft war eine politische Macht; und als politische Macht gab sie sich und ward sie genommen, seit zuerst der syrische Koenig Tryphon sie als solche benutzt und seine Herrschaft auf sie gestuetzt hatte. Wir finden die Piraten als Verbuendete des Koenigs Mithradates von Pontos sowie der roemischen demokratischen Emigration; wir finden sie Schlachten liefern gegen die Flotten Sullas in den oestlichen wie in den westlichen Gewaessern. Wir finden einzelne Piratenfuersten, die ueber eine Kette von ansehnlichen Kuestenplaetzen gebieten. Es laesst sich nicht sagen, wieweit die innere politische Entwicklung dieses schwimmenden Staates bereits gediehen war; aber unleugbar liegt in diesen Bildungen der Keim eines Seekoenigtums, das bereits sich ansaessig zu machen beginnt und aus dem unter guenstigen Verhaeltnissen wohl ein dauernder Staat sich haette entwickeln moegen. Es ist hiermit ausgesprochen und ward zum Teil schon frueher bezeichnet, wie die Roemer auf “ihrem Meere” die Ordnung hielten oder vielmehr nicht hielten. Roms Schutzherrschaft ueber die Aemter bestand wesentlich in der militaerischen Vormundschaft; fuer die in der Hand der Roemer vereinigte Verteidigung zur See und zu Lande zahlten oder zinsten den Roemern die Provinzialen. Aber wohl niemals hat ein Vormund seinen Muendel unverschaemter betrogen als die roemische Oligarchie die untertaenigen Gemeinden. Statt dass Rom eine allgemeine Reichsflotte aufgestellt und die Seepolizei zentralisiert haette, liess der Senat die einheitliche Oberleitung des Seepolizeiwesens, ohne die ebenhier gar nichts auszurichten war, gaenzlich fallen und ueberliess es jedem einzelnen Statthalter und jedem einzelnen Klientelstaat, sich der Piraten zu erwehren, wie jeder wollte und konnte. Statt dass Rom, wie es sich anheischig gemacht, das Flottenwesen mit seinem und der formell souveraen gebliebenen Klientelstaaten Gut und Blut ausschliesslich bestritten haette, liess man die italische Kriegsmarine eingehen und lernte sich behelfen mit den von den einzelnen Kaufstaedten requirierten Schiffen oder noch haeufiger mit den ueberall organisierten Strandwachen, wo dann in beiden Faellen alle Kosten und Beschwerden die Untertanen trafen. Die Provinzialen mochten sich gluecklich schaetzen, wenn der roemische Statthalter die fuer die Kuestenverteidigung ausgeschriebenen Requisitionen nur wirklich zu diesem Zwecke verwandte und nicht fuer sich unterschlug, oder wenn sie nicht, wie sehr haeufig geschah, angewiesen wurden, fuer einen von den Seeraeubern gefangenen vornehmen Roemer die Ranzion zu bezahlen. Was etwa Verstaendiges begonnen ward, wie die Besetzung Kilikiens 652 (102), verkuemmerte sicher in der Ausfuehrung. Wer von den Roemern dieser Zeit nicht gaenzlich in der gangbaren duseligen Vorstellung von nationaler Groesse befangen war, der haette wuenschen muessen, von der Rednerbuehne auf dem Markte die Schiffsschnaebel herabreissen zu duerfen, um wenigstens nicht stets durch sie an die in besserer Zeit erfochtenen Seesiege sich gemahnt zu finden. Indes tat doch Sulla, der in dem Kriege gegen Mithradates wahrlich hinreichend sich hatte ueberzeugen koennen, welche Gefahren die Vernachlaessigung des Flottenwesens mit sich bringe, verschiedene Schritte, um dem Uebel ernstlich zu steuern. Der Auftrag zwar, welchen er den von ihm in Asien eingesetzten Statthaltern zurueckgelassen, in den Seestaedten eine Flotte gegen die Seeraeuber auszuruesten, hatte wenig gefruchtet, da Murena es vorzog, Krieg mit Mithradates anzufangen, und der Statthalter von Kilikien, Gnaeus Dolabella, sich ganz unfaehig erwies. Deshalb beschloss im Jahre 675 (79) der Senat, einen der Konsuln nach Kilikien zu senden; das Los traf den tuechtigen Publius Servilius. Er schlug in einem blutigen Treffen die Flotte der Piraten und wandte sich darauf zur Zerstoerung derjenigen Staedte an der kleinasiatischen Suedkueste, die ihnen als Ankerplaetze und Handelsstationen dienten. Die Festungen des maechtigen Seefuersten Zeniketes: Olympos, Korykos, Phaselis im oestlichen Lykien, Attaleia in Pamphylien wurden gebrochen, und in den Flammen der Burg Olympos fand der Fuerst selbst den Tod. Weiter ging es gegen die Isaurer, welche im nordwestlichen Winkel des rauben Kilikiens am noerdlichen Abhang des Tauros ein mit prachtvollen Eichenwaeldern bedecktes Labyrinth von steilen Bergruecken, zerkluefteten Felsen und tiefgeschnittenen Taelern bewohnten – eine Gegend, die noch heute von den Erinnerungen an die alte Raeuberzeit erfuellt ist. Um diese isaurischen Felsennester, die letzten und sichersten Zufluchtsstaetten der Flibustier, zu bezwingen, fuehrte Servilius die erste roemische Armee ueber den Tauros und brach die feindlichen Festungen Oroanda und vor allem Isaura selbst, das Ideal einer Raeuberstadt, auf der Hoehe eines schwer zugaenglichen Bergzuges gelegen und die weite Ebene von Ikonion vollstaendig ueberschauend und beherrschend. Der erst im Jahre 679 (75) beendigte Krieg, aus dem Publius Servilius fuer sich und seine Nachkommen den Beinamen des Isaurikers heimbrachte, war nicht ohne Frucht; eine grosse Anzahl von Korsaren und Korsarenschiffen geriet durch denselben in die Gewalt der Roemer; Lykien, Pamphylien, Westkilikien wurden arg verheert, die Gebiete der zerstoerten Staedte eingezogen und die Provinz Kilikien mit ihnen erweitert. Allein es lag in der Natur der Sache, dass die Piraterie doch damit keineswegs unterdrueckt war, sondern nur sich zunaechst nach andern Gegenden, namentlich nach der aeltesten Herberge der Korsaren des Mittelmeers, nach Kreta, zog. Nur umfassend und einheitlich durchgefuehrte Repressivmassregeln oder vielmehr nur die Einrichtung einer staendigen Seepolizei konnten hier durchgreifende Abhilfe gewaehren. In vielfacher Beziehung mit diesem Seekrieg standen die Verhaeltnisse des kleinasiatischen Festlandes. Die Spannung, die hier zwischen Rom und den Koenigen von Pontos und Armenien bestand, liess nicht nach, sondern steigerte sich mehr und mehr. Auf der einen Seite griff Koenig Tigranes von Armenien in der ruecksichtslosesten Weise erobernd um sich. Die Parther, deren in dieser Zeit auch durch innere Unruhen zerrissener Staat tief daniederlag, wurden in andauernden Fehden weiter und weiter in das innere Asien zurueckgedraengt. Von den Landschaften zwischen Armenien, Mesopotamien und Iran wurden Corduene (noerdliches Kurdistan) und das Atropatenische Medien (Aserbeidschan) aus parthischen in armenische Lehnkoenigreiche verwandelt und das Reich von Ninive (Mosul) oder Adiabene, wenigstens voruebergehend, gleichfalls gezwungen, in die armenische Klientel einzutreten. Auch in Mesopotamien, namentlich in und um Nisibis, ward die armenische Herrschaft begruendet; nur die suedliche, grossenteils wueste Haelfte, scheint nicht in festen Besitz des neuen Grosskoenigs gekommen und namentlich Seleukeia am Tigris ihm nicht untertaenig geworden zu sein. Das Reich von Edessa oder Osrhoene uebergab er einem Stamme der schweifenden Araber, den er aus dem suedlichen Mesopotamien hierher verpflanzte und hier ansaessig machte, um durch ihn den Euphratuebergang und die grosse Handelsstrasse zu beherrschen ^1. Aber Tigranes beschraenkte seine Eroberungen keineswegs auf das oestliche Ufer des Euphrat. Vor allem Kappadokien war das Ziel seiner Angriffe und erlitt, wehrlos wie es war, von dem uebermaechtigen Nachbar vernichtende Schlaege. Die oestliche Landschaft Melitene riss Tigranes von Kappadokien ab und vereinigte sie mit der gegenueberliegenden armenischen Provinz Sophene, wodurch er den Euphratuebergang mit der grossen kleinasiatisch-armenischen Handelsstrasse in seine Gewalt bekam. Nach Sullas Tode rueckten die Armenier sogar in das eigentliche Kappadokien ein und fuehrten die Bewohner der Hauptstadt Mazaka (spaeter Caesarea) und elf anderer griechisch geordneter Staedte weg nach Armenien. Nicht mehr Widerstand vermochte das in voller Aufloesung begriffene Seleukidenreich dem neuen Grosskoenig entgegenzustellen. Hier herrschte im Sueden von der aegyptischen Grenze bis nach Stratons Turm (Caesarea) der Judenfuerst Alexandros Jannaeos, der im Kampfe mit den syrischen, aegyptischen und arabischen Nachbarn und mit den Reichsstaedten seine Herrschaft Schritt vor Schritt erweiterte und befestigte. Die groesseren Staedte Syriens, Gaza, Stratons Turm, Ptolemais, Beroea versuchten, sich bald als freie Gemeinden, bald unter sogenannten Tyrannen auf eigene Hand zu behaupten; vor allem die Hauptstadt Antiocheia war so gut wie selbstaendig. Damaskos und die Libanostaeler hatten sich dem nabataeischen Fuersten Aretas von Petra unterworfen. In Kilikien endlich herrschten die Seeraeuber oder die Roemer. Und um diese in tausend Splitter zerschellende Krone fuhren die Seleukidenprinzen, als gaelte es das Koenigtum allen zum Spott und zum Aergernis zu machen, beharrlich fort, untereinander zu hadern, ja, waehrend von diesem gleich dem Hause des Laios zum ewigen Zwiste verfluchten Geschlechte die eigenen Untertanen alle abtruennig wurden, sogar Ansprueche auf den durch den erblosen Abgang des Koenigs Alexander Il. erledigten Thron von Aegypten zu erheben. So griff Koenig Tigranes hier ohne Umstaende zu. Das oestliche Kilikien ward mit Leichtigkeit von ihm unterworfen und die Buergerschaften von Soloi und anderen Staedten ebenwie die kappadokischen nach Armenien abgefuehrt. Ebenso wurde die obere syrische Landschaft, mit Ausnahme der tapfer verteidigten Stadt Seleukeia an der Muendung des Orontes, und der groesste Teil von Phoenike mit den Waffen bezwungen: um 680 (74) ward Ptolemais von den Armeniern eingenommen und schon der Judenstaat ernstlich von ihnen bedroht. Die alte Hauptstadt der Seleukiden Antiocheia ward eine der Residenzen des Grosskoenigs. Bereits von dem Jahre 671 (83) an, dem naechsten nach dem Frieden zwischen Sulla und Mithradates, wird Tigranes in den syrischen Jahrbuechern als der Landesherr bezeichnet und erscheint Kilikien und Syrien als eine armenische Satrapie unter dem Statthalter des Grosskoenigs Magadates. Die Zeit der Koenige von Ninive, der Salmanassar und Sanherib, schien sich zu erneuern: wieder lastete der orientalische Despotismus schwer auf der handeltreibenden Bevoelkerung der syrischen Kueste, wie einst auf Tyros und Sidon; wieder warfen binnenlaendische Grossstaaten sich auf die Landschaften am Mittelmeer; wieder standen asiatische Heere von angeblich einer halben Million Streiter an den kilikischen und syrischen Kuesten. Wie einst Salmanassar und Nebukadnezar die Juden nach Babylon gefuehrt hatten, so mussten jetzt aus allen Grenzlandschaften des neuen Reiches, aus Corduene, Adiabene, Assyrien, Kilikien, Kappadokien, die Einwohner, namentlich die griechischen oder halbgriechischen Stadtbuerger, mit ihrer gesamten Habe bei Strafe der Konfiskation alles dessen, was sie zuruecklassen wuerden, sich zusammensiedeln in der neuen Residenz, einer von jenen mehr die Nichtigkeit der Voelker als die Groesse der Herrscher verkuendigenden Riesenstaedten, wie sie in den Euphratlandschaften bei jedem Wechsel des Oberkoenigtums auf das Machtwort des neuen Grosssultans aus der Erde springen. Die neue “Tigranesstadt”, Tigranokerta, gegruendet an der Grenze Armeniens und Mesopotamiens und bestimmt zur Hauptstadt der neu fuer Armenien gewonnenen Gebiete, ward eine Stadt wie Ninive und Babylon, mit Mauern von fuenfzig Ellen Hoehe und den zum Sultanismus nun einmal mitgehoerigen Palast-, Garten- und Parkanlagen. Auch sonst verleugnete der neue Grosskoenig sich nicht: wie in der ewigen Kindheit des Ostens ueberhaupt die kindlichen Vorstellungen von den Koenigen mit wirklichen Kronen auf dem Haupte niemals verschwunden sind, so erschien auch Tigranes, wo er oeffentlich sich zeigte, in Pracht und Tracht eines Nachfolgers des Dareios und Xerxes, mit dem purpurnen Kaftan, dem halb weissen, halb purpurnen Untergewand, den langen faltigen Beinkleidern, dem hohen Turban und der koeniglichen Stirnbinde, wo er ging und stand von vier “Koenigen” in Sklavenart begleitet und bedient. ———————————————————— ^1 Das Reich von Edessa, dessen Gruendung die einheimischen Chroniken 620 (134) setzen, kam erst einige Zeit nach seiner Entstehung unter die arabische Dynastie der Abgaros und Mannos, die wir spaeter daselbst finden. Offenbar haengt dies zusammen mit der Ansiedlung vieler Araber durch Tigranes den Grossen in der Gegend von Edessa, Kallirhoe, Karrhae (Plin. nat. 5, 20, 85; 21, 86; 6, 28, 142); wovon auch Plutarch (Luc. 21) berichtet, dass Tigranes, die Sitten der Zeltaraber umwandelnd, sie seinem Reiche naeher ansiedelte, um durch sie des Handels sich zu bemaechtigen. Vermutlich ist dies so zu verstehen, dass die Beduinen, die gewohnt waren, durch ihr Gebiet Handelsstrassen zu eroeffnen und auf diesen feste Durchgangszoelle zu erheben (Strab. 14, 748), dem Grosskoenig als eine Art von Zollkontrolleuren dienen und an der Euphratpassage fuer ihn und fuer sich Zoelle erheben sollten. Diese “osrhoenischen Araber” (Orei Arabes), wie sie Plinius nennt, muessen auch die Araber am Berg Amanos sein, die Afranius ueberwand (Plut. Pomp. 39). ——————————————————– Bescheidener trat Koenig Mithradates auf. Er enthielt sich in Kleinasien der Uebergriffe und begnuegte sich, was kein Traktat ihm verbot, seine Herrschaft am Schwarzen Meere fester zu begruenden und die Landschaften, die das Bosporanische jetzt unter seiner Oberhoheit von seinem Sohn Machares beherrschte Koenigreich von dem Pontischen trennten, allmaehlich in bestimmtere Abhaengigkeit zu bringen. Aber auch er wandte alle Anstrengungen darauf, seine Flotte und sein Heer instand zu setzen und namentlich das letztere nach roemischem Muster zu bewaffnen und zu organisieren, wobei die roemischen Emigranten, die in grosser Zahl an seinem Hofe verweilten, ihm wesentliche Dienste leisteten. Den Roemern war nichts daran gelegen, in die orientalischen Angelegenheiten noch weiter verwickelt zu werden, als sie es bereits waren. Es zeigt sich dies namentlich mit schlagender Deutlichkeit darin, dass die Gelegenheit, die in dieser Zeit sich darbot, das Aegyptische Reich auf friedlichem Wege unter unmittelbare roemische Herrschaft zu bringen, vom Senat verschmaeht ward. Die legitime Deszendenz des Ptolemaeos Lagos Sohns war zu Ende gegangen, als der nach dem Tode des Ptolemaeos Soter II. Koenigs Lathyros von Sulla eingesetzte Koenig Alexandros II., ein Sohn Koenigs Alexandros I., wenige Tage nach seiner Thronbesteigung bei einem Auflauf in der Hauptstadt getoetet ward (673 81). Dieser Alexandros hatte in seinem Testament ^2 zum Erben die roemische Gemeinde eingesetzt. Die Echtheit dieses Dokuments ward zwar bestritten; allein diese erkannte der Senat an, indem er auf Grund desselben die in Tyros fuer Rechnung des verstorbenen Koenigs niedergelegten Summen erhob. Nichtsdestoweniger gestattete er zwei notorisch illegitimen Soehnen des Koenigs Lathyros, dem einen, Ptolemaeos XI., der neue Dionysos oder der Floetenblaeser (Auletes) genannt, Aegypten, dem andern, Ptolemaeos dem Kyprier, Kypros tatsaechlich in Besitz zu nehmen; sie wurden zwar vom Senat nicht ausdruecklich anerkannt, aber doch auch keine bestimmte Forderung auf Herausgabe der Reiche an sie gerichtet. Die Ursache, weshalb der Senat diesen unklaren Zustand fortdauern liess und nicht dazu kam, in bindender Weise auf Aegypten und Kypros zu verzichten, war ohne Zweifel die ansehnliche Rente, welche jene gleichsam auf Bittbesitz herrschenden Koenige fuer die Fortdauer desselben den roemischen Koteriehaeuptern fortwaehrend zahlten. Allein der Grund, jenem lockenden Erwerb ueberhaupt zu entsagen, liegt anderswo. Aegypten gab durch seine eigentuemliche Lage und seine finanzielle Organisation jedem dort befehligenden Statthalter eine Geld- und Seemacht und ueberhaupt eine unabhaengige Gewalt in die Haende, wie sie mit dem argwoehnischen und schwaechlichen Regiment der Oligarchie sich schlechterdings nicht vertrug; von diesem Standpunkt aus war es verstaendig, dem unmittelbaren Besitz der Nillandschaft zu entsagen. ——————————————————– ^2 Die streitige Frage, ob dies angebliche oder wirkliche Testament von Alexander I. (+ 666 88) oder Alexander II. (+ 673 81) herruehre, wird gewoehnlich fuer die erste Alternative entschieden. Allein die Gruende sind unzulaenglich; denn Cicero (leg. agr. 1, 4, 12; 15, 38; 16, 41) sagt nicht, dass Aegypten im Jahre 666 (88), sondern dass es in oder nach diesem Jahr an Rom gefallen sei; und wenn man daraus, dass Alexander I. im Ausland, Alexander II. in Alexandreia umkam, gefolgert hat, dass die in dem fraglichen Testament erwaehnten in Tyros lagernden Schaetze dem ersteren gehoert haben werden, so ist uebersehen, dass Alexander II. neunzehn Tage nach seiner Ankunft in Aegypten getoetet ward (J. A. Letronne, Recueil des inscriptions grecques et latines de l’Egypte. Bd. 2, Paris 1848, S. 20), wo seine Kasse noch sehr wohl in Tyros sein konnte. Entscheidend ist dagegen der Umstand, dass der zweite Alexander der letzte echte Lagide war, da bei den aehnlichen Erwerbungen von Pergamon Kyrene und Bithynien Rom stets von dem letzten Spross der berechtigten Herrscherfamilie eingesetzt worden ist. Das alte Staatsrecht, wie es wenigstens fuer die roemischen Klientelstaaten massgebend gewesen ist, scheint dem Regenten das letztwillige Verfuegungsrecht ueber sein Reich nicht unbedingt, sondern nur in Ermangelung erbberechtigter Agnaten zugestanden zu haben. Vgl. Gutschmids Anmerkung zu der deutschen Uebersetzung von S. Sharper, Geschichte Aegyptens. Bd. 2, S. 17. Ob das Testament echt oder falsch war, ist nicht auszumachen und auch ziemlich gleichgueltig; besondere Gruende, eine Faelschung anzunehmen, liegen nicht vor. —————————————————– Weniger laesst es sich rechtfertigen, dass der Senat es unterliess, in die kleinasiatischen und syrischen Angelegenheiten unmittelbar einzugreifen. Die roemische Regierung erkannte zwar den armenischen Eroberer nicht als Koenig von Kappadokien und Syrien an; aber sie tat doch auch nichts, um ihn zurueckzudraengen, wie nahe immer der Krieg, den sie 676 (78) notgedrungen in Kilikien gegen die Piraten begann, ihr namentlich das Einschreiten in Syrien legte. In der Tat gab sie, indem sie den Verlust Kappadokiens und Syriens ohne Kriegserklaerung hinnahm, damit nicht bloss ihre Schutzbefohlenen, sondern die wichtigsten Grundlagen ihrer eigenen Machtstellung preis. Es war schon bedenklich, wenn sie in den griechischen Ansiedlungen und Reichen am Euphrat und Tigris die Vorwerke ihrer Herrschaft opferte; aber wenn sie die Asiaten am Mittelmeer sich festsetzen liess, welches die politische Basis ihres Reiches war, so war dies nicht ein Beweis von Friedensliebe, sondern das Bekenntnis, dass die Oligarchie durch die Sullanische Restauration wohl oligarchischer, aber weder klueger noch energischer geworden war, und fuer die roemische Weltmacht der Anfang des Endes. Auch auf der andern Seite wollte man den Krieg nicht. Tigranes hatte keine Ursache, ihn zu wuenschen, wenn Rom ihm auch ohne Krieg all seine Bundesgenossen preisgab. Mithradates, der denn doch nicht bloss Sultan war und Gelegenheit genug gehabt hatte, im Glueck und Unglueck Erfahrungen ueber Freunde und Feinde zu machen, wusste sehr wohl, dass er in einem zweiten roemischen Krieg sehr wahrscheinlich ebenso allein stehen wuerde wie in dem ersten und dass er nichts Kluegeres tun konnte, als sich ruhig zu verhalten und sein Reich im Innern zu staerken. Dass es ihm mit seinen friedlichen Erklaerungen Ernst war, hatte er in dem Zusammentreffen mit Murena hinreichend bewiesen; er fuhr fort, alles zu vermeiden, was dazu fuehren musste, die roemische Regierung aus ihrer Passivitaet herauszudraengen. Allein wie schon der Erste Mithradatische Krieg sich entsponnen hatte, ohne dass eine der Parteien ihn eigentlich wuenschte, so entwickelte auch jetzt aus den entgegengesetzten Interessen sich gegenseitiger Argwohn, aus diesem gegenseitige Verteidigungsanstalten, und es fuehrten diese endlich durch ihr eigenes Schwergewicht zum offenen Bruch. Das seit langem die roemische Politik beherrschende Misstrauen in die eigene Schlagfertigkeit und Kampfbereitschaft, welches bei dem Mangel stehender Armeen und dem wenig musterhaften kollegialischen Regiment wohl erklaerlich ist, machte es gleichsam zu einem Axiom der roemischen Politik, jeden Krieg nicht bloss bis zur Ueberwaeltigung, sondern bis zur Vernichtung des Gegners zu fuehren; man war insofern mit dem Frieden Sullas von Haus aus in Rom so wenig zufrieden wie einst mit den Bedingungen, die Scipio Africanus den Karthagern gewaehrt hatte. Die vielfach geaeusserte Besorgnis, dass ein zweiter Angriff des pontischen Koenigs bevorstehe, ward einigermassen gerechtfertigt durch die ungemeine Aehnlichkeit der gegenwaertigen Verhaeltnisse mit denen vor zwoelf Jahren. Wieder traf ein gefaehrlicher Buergerkrieg zusammen mit ernstlichen Ruestungen Mithradats; wieder ueberschwemmten die Thraker Makedonien und bedeckten die Korsarenflotten das ganze Mittelmeer; wieder kamen und gingen die Emissaere, wie einst zwischen Mithradates und den Italikern, so jetzt zwischen den roemischen Emigranten in Spanien und denen am Hofe von Sinope. Schon im Anfang des Jahres 677 (77) ward es im Senat ausgesprochen, dass der Koenig nur auf die Gelegenheit warte, waehrend des italischen Buergerkriegs ueber das roemische Asien herzufallen; die roemischen Armeen in Asia und Kilikien wurden verstaerkt, um moeglichen Ereignissen zu begegnen. Andererseits verfolgte auch Mithradates mit steigender Besorgnis die Entwicklung der roemischen Politik. Er musste es fuehlen, dass ein Krieg der Roemer gegen Tigranes, wie sehr auch der schwaechliche Senat davor sich scheute, doch auf die Laenge kaum vermeidlich sei und er nicht umhin koennen werde, sich an demselben zu beteiligen. Der Versuch, das immer noch mangelnde schriftliche Friedensinstrument von dem roemischen Senat zu erlangen, war in die Wirren der Lepidianischen Revolution gefallen und ohne Erfolg geblieben; Mithradates fand darin ein Anzeichen der bevorstehenden Erneuerung des Kampfes. Die Einleitung dazu schien die Expedition gegen die Seeraeuber, die mittelbar doch auch die Koenige des Ostens traf, deren Verbuendete sie waren. Noch bedenklicher waren die schwebenden Ansprueche Roms auf Aegypten und Kypros; es ist bezeichnend, dass der pontische Koenig den beiden Ptolemaeern, denen der Senat fortfuhr, die Anerkennung zu weigern, seine beiden Toechter Mithradatis und Nyssa verlobte. Die Emigranten draengten zum Losschlagen; Sertorius’ Stellung in Spanien, die zu erkunden Mithradates unter passenden Vorwaenden Boten in das Pompeianische Hauptquartier abordnete, und die in der Tat eben um diese Zeit imposant war, eroeffnete dem Koenig die Aussicht, nicht wie in dem ersten Krieg gegen die beiden roemischen Parteien, sondern mit der einen gegen die andere zu fechten. Ein guenstigerer Moment konnte kaum gehofft werden, und am Ende war es immer besser, den Krieg zu erklaeren, als ihn sich erklaeren zu lassen. Da starb im Jahre 679 (75) Koenig Nikomedes III. Philopator von Bithynien und hinterliess als der letzte seines Stammes – denn ein von der Nysa geborener Sohn war oder hiess unecht – sein Reich im Testament den Roemern, welche diese mit der roemischen Provinz grenzende und laengst von roemischen Beamten und Kaufleuten erfuellte Landschaft in Besitz zu nehmen nicht saeumten. Gleichzeitig wurde auch Kyrene, das bereits seit dem Jahr 658 (96) den Roemern angefallen war, endlich als Provinz eingerichtet und ein roemischer Statthalter dorthin geschickt (679 75). Diese Massregeln in Verbindung mit den um dieselbe Zeit an der Suedkueste von Kleinasien gegen die Piraten ausgefuehrten Angriffen muessen in dem Koenige Besorgnisse erregt haben; die Einziehung Bithyniens namentlich machte die Roemer zu unmittelbaren Nachbarn des Pontischen Reiches; und dies vermutlich gab den Ausschlag. Der Koenig tat den entscheidenden Schritt und erklaerte im Winter 679/80 (75/74) den Roemern den Krieg. Gern haette Mithradates die schwere Arbeit nicht allein uebernommen. Sein naechster und natuerlicher Bundesgenosse war der Grosskoenig Tigranes; allein der kurzsichtige Mann lehnte den Antrag seines Schwiegervaters ab. So blieben nur die Insurgenten und die Piraten. Mithradates liess es sich angelegen sein, mit beiden durch starke, nach Spanien und nach Kreta entsandte Geschwader sich in Verbindung zu setzen. Mit Sertorius ward ein foermlicher Vertrag abgeschlossen, durch den Rom an den Koenig Bithynien, Paphlagonien, Galanen und Kappadokien abtrat – freilich lauter Erwerbungen, die erst auf dem Schlachtfeld ratifiziert werden mussten. Wichtiger war die Unterstuetzung, die der spanische Feldherr dem Koenig durch Sendung roemischer Offiziere zur Fuehrung seiner Heere und Flotten gewaehrte. Die taetigsten unter den Emigranten im Osten, Lucius Magius und Lucius Fannius, wurden von Sertorius zu seinen Vertretern am Hofe von Sinope bestellt. Auch von den Piraten kam Hilfe; sie stellten in grosser Anzahl im Pontischen Reich sich ein, und namentlich durch sie scheint es dem Koenige gelungen zu sein, eine durch die Zahl wie durch die Tuechtigkeit der Schiffe imponierende Seemacht zu bilden. Die Hauptstuetze blieben die eigenen Streitkraefte, mit denen der Koenig, bevor die Roemer in Asien eintreffen wuerden, sich ihrer Besitzungen daselbst bemaechtigen zu koennen hoffte, zumal da in der Provinz Asia die durch die Sullanische Kriegssteuer hervorgerufene finanzielle Not, in Bithymen der Widerwille gegen das neue roemische Regiment, in Kilikien und Pamphylien der von dem kuerzlich beendigten verheerenden Krieg zurueckgebliebene Brandstoff einer pontischen Invasion guenstige Aussichten eroeffnete. An Vorraeten fehlte es nicht; in den koeniglichen Speichern lagen zwei Millionen Medimnen Getreide. Flotte und Mannschaft waren zahlreich und wohlgeuebt, namentlich die bastarnischen Soldknechte eine auserlesene, selbst italischen Legionaeren gewachsene Schar. Auch diesmal war es der Koenig, der die Offensive begann. Ein Korps unter Diophantos ruckte in Kappadokien ein, um die Festungen daselbst zu besetzen und den Roemern den Weg in das Pontische Reich zu verlegen; der von Sertorius gesandte Fuehrer, der Propraetor Marcus Marius, ging in Gemeinschaft mit dem pontischen Offizier Eumachos nach Phrygien, um die roemische Provinz und das Taurusgebirge zu insurgieren; die Hauptarmee, ueber 100000 Mann nebst 16000 Reitern und 100 Sichelwagen, gefuehrt von Taxiles und Hermokrates unter der persoenlichen Oberleitung des Koenigs, und die von Aristonikos befehligte Kriegsflotte von 400 Segeln bewegten sich die kleinasiatische Nordkueste entlang, um Paphlagonien und Bithymen zu besetzen. Roemischerseits ward zur Fuehrung des Krieges in erster Reihe der Konsul des Jahres 680 (74), Lucius Lucullus, ausersehen, der als Statthalter von Asien und Kilikien an die Spitze der in Kleinasien stehenden vier Legionen und einer fuenften von ihm aus Italien mitgebrachten gestellt und angewiesen ward, mit dieser auf 30000 Mann zu Fuss und 1600 Reiter sich belaufenden Armee durch Phrygien in das Pontische Reich einzudringen. Sein Kollege Marcus Cotta ging mit der Flotte und einem anderen roemischen Korps nach der Propontis, um Asia und Bithynien zu decken. Endlich wurde eine allgemeine Armierung der Kuesten, namentlich der von der pontischen Flotte zunaechst bedrohten thrakischen, angeordnet und die Saeuberung der saemtlichen Meere und Kuesten von den Piraten und ihren pontischen Genossen ausserordentlicherweise einem einzigen Beamten uebertragen, wofuer die Wahl auf den Praetor Marcus Antonius fiel, den Sohn des Mannes, der dreissig Jahre zuvor zuerst die kilikischen Korsaren gezuechtigt hatte. Ausserdem stellte der Senat dem Lucullus eine Summe von 72 Mill. Sesterzen (5´ Mill. Talern) zur Verfuegung, um davon eine Flotte zu erbauen; was Lucullus indes ablehnte. Aus allem sieht man, dass die roemische Regierung in der Vernachlaessigung des Seewesens den Kern des Uebels erkannte und hierin wenigstens so weit Ernst machte, als ihre Dekrete reichten. So begann im Jahre 680 (74) der Krieg auf allen Punkten. Es war ein Unglueck fuer Mithradates, dass eben im Moment seiner Kriegserklaerung der Wendepunkt im Sertorianischen Kriege eintrat, wodurch von vornherein eine seiner hauptsaechlichsten Hoffnungen ihm zugrunde ging und es der roemischen Regierung moeglich ward, ihre ganze Macht auf den See- und den kleinasiatischen Krieg zu verwenden. In Kleinasien dagegen erntete Mithradat die Vorteile der Offensive und der weiten Entfernung der Roemer von dem unmittelbaren Kriegsschauplatz. Dem Sertorianischen Propraetor, der in der roemischen Provinz Asia vorangestellt ward, oeffneten eine betraechtliche Anzahl kleinasiatischer Staedte die Tore und metzelten wie im Jahre 666 (88) die bei ihnen ansaessigen roemischen Familien nieder; die Pisider, Isaurer, Kiliker ergriffen gegen Rom die Waffen. Die Roemer hatten an den bedrohten Punkten augenblicklich keine Truppen. Einzelne tuechtige Maenner versuchten wohl auf ihre eigene Hand dieser Aufwiegelung der Provinzialen zu steuern – so verliess auf die Kunde von diesen Ereignissen der junge Gaius Caesar Rhodos, wo er seiner Studien wegen sich aufhielt, und warf sich mit einer rasch zusammengerafften Schar den Insurgenten entgegen; allein viel konnten solche Freikorps nicht ausrichten. Wenn nicht der tapfere Vierfuerst des um Pessinus ansaessigen Keltenstammes der Tolistoboger, Deiotarus, die Partei der Roemer ergriffen und gluecklich gegen die pontischen Feldherrn gefochten haette, so haette Lucullus damit beginnen muessen, das Binnenland der roemischen Provinz dem Feind wiederabzunehmen. Auch so aber verlor er mit der Beruhigung der Landschaft und mit der Zurueckdraengung des Feindes eine kostbare Zeit, die durch die geringen Erfolge, welche seine Reiterei dabei erfocht, nichts weniger als verguetet ward. Unguenstiger noch als in Phrygien gestalteten sich die Dinge fuer die Roemer an der Nordkueste Kleinasiens. Hier hatte die grosse Armee und die Flotte der Pontiker sich Bithyniens vollstaendig bemeistert und den roemischen Konsul Cotta genoetigt, mit seiner wenig zahlreichen Mannschaft und seinen Schiffen in den Mauern und dem Hafen von Kalchedon Schutz zu suchen, wo Mithradates sie blockiert hielt. Indes war diese Einschliessung insofern ein guenstiges Ereignis fuer die Roemer, als, wenn Cotta die pontische Armee vor Kalchedon festhielt und Lucullus ebendahin sich wandte, die saemtlichen roemischen Streitkraefte bei Kalchedon sich vereinigen und schon hier statt in dem ferneren und unwegsamen pontischen Land, die Waffenentscheidung erzwingen konnten. Lucullus schlug auch die Strasse nach Kalchedon ein; allein Cotta, um noch vor dem Eintreffen des Kollegen auf eigene Hand eine Grosstat auszufuehren, liess seinen Flottenfuehrer Publius Rutilius Nudus einen Ausfall machen, der nicht bloss mit einer blutigen Niederlage der Roemer endigte, sondern auch den Pontikern es moeglich machte, den Hafen anzugreifen, die Kette, die denselben sperrte, zu sprengen und saemtliche daselbst befindliche roemische Kriegsschiffe, gegen siebzig an der Zahl, zu verbrennen. Auf die Nachricht von diesen Unfaellen, die Lucullus am Fluss Sangarios erhielt, beschleunigte derselbe seinen Marsch, zur grossen Unzufriedenheit seiner Soldaten, welche nach ihrer Meinung Cotta nichts anging und die weit lieber ein unverteidigtes Land gepluendert als ihre Kameraden siegen gelehrt haetten. Sein Eintreffen machte die erlittenen Unfaelle zum Teil wieder gut: der Koenig hob die Belagerung von Kalchedon auf, ging aber nicht nach Pontos zurueck, sondern suedwaerts in die altroemische Provinz, wo er an der Propontis und am Hellespont sich ausbreitete, Lampsakos besetzte und die grosse und reiche Stadt Kyzikos zu belagern begann. Immer fester verrannte er sich also in die Sackgasse, die er eingeschlagen hatte, statt, was allein fuer ihn Erfolg versprach, die weiten Entfernungen gegen die Roemer ins Spiel zu bringen. In Kyzikos hatte die alte hellenische Gewandtheit und Tuechtigkeit sich so rein erhalten wie an wenigen anderen Orten; ihre Buergerschaft, obwohl sie in der ungluecklichen Doppelschlacht von Kalchedon an Schiffen und Mannschaft starke Einbusse erlitten hatte, leistete dennoch den entschlossensten Widerstand. Kyzikos lag auf einer Insel unmittelbar dem Festland gegenueber und durch eine Bruecke mit demselben verbunden. Die Belagerer bemaechtigten sich sowohl des Hoehenzuges auf dem Festland, der an der Bruecke endigt, und der hier gelegenen Vorstadt, als auch auf der Insel selbst der beruehmten Dindymenischen Hoehen, und auf der Festland- wie auf der Inselseite boten die griechischen Ingenieure alle ihre Kunst auf, den Sturm moeglich zu machen. Allein die Bresche, die endlich zu machen gelang, wurde waehrend der Nacht wieder von den Belagerten geschlossen und die Anstrengungen der koeniglichen Armee blieben ebenso fruchtlos wie die barbarische Drohung des Koenigs, die gefangenen Kyzikener vor den Mauern toeten zu lassen, wenn die Buergerschaft noch laenger die Uebergabe verweigere. Die Kyzikener setzten die Verteidigung mit Mut und Glueck fort; es fehlte nicht viel, so haetten sie im Laufe der Belagerung den Koenig selbst gefangengenommen. Inzwischen hatte Lucullus sich einer sehr festen Position im Ruecken der pontischen Armee bemaechtigt, die ihm zwar nicht gestattete, der bedraengten Stadt unmittelbar zu Hilfe zu kommen, aber wohl dem Feinde alle Zufuhr zu Lande abzuschneiden. So stand die ungeheure, mit dem Tross auf 300000 Koepfe geschaetzte Mithradatische Armee, weder imstande zu schlagen, noch zu marschieren, fest eingekeilt zwischen der unbezwinglichen Stadt und dem unbeweglich stehenden roemischen Heer und fuer allen ihren Bedarf einzig angewiesen auf die See, die zum Glueck fuer die Pontiker ihre Flotte ausschliesslich beherrschte. Aber die schlechte Jahreszeit brach herein; ein Unwetter zerstoerte einen grossen Teil der Belagerungsbauten; der Mangel an Lebensmitteln und vor allem an Pferdefutter fing an unertraeglich zu werden. Die Lasttiere und der Tross wurden unter Bedeckung des groessten Teils der pontischen Reiterei weggesandt mit dem Auftrag, um jeden Preis sich durchzuschleichen oder durchzuschlagen; aber am Fluss Rhyndakos oestlich von Kyzikos holte Lucullus sie ein und hieb den ganzen Haufen zusammen. Eine andere Reiterabteilung unter Metrophanes und Lucius Fannius musste nach langer Irrfahrt im westlichen Kleinasien wieder in das Lager vor Kyzikos zurueckkehren. Hunger und Seuchen raeumten unter den pontischen Scharen fuerchterlich auf. Als der Fruehling herankam (681 73), verdoppelten die Belagerten ihre Anstrengungen und nahmen die auf dem Dindymon angelegten Schanzen; es blieb dem Koenig nichts uebrig, als die Belagerung aufzuheben und mit Hilfe der Flotte zu retten, was zu retten war. Er selber ging mit der Flotte nach dem Hellespont, erlitt aber teils bei der Abfahrt, teils unterwegs durch Stuerme betraechtliche Einbusse. Eben dahin brach auch das Landheer unter Hermaeos und Marius auf, um in Lampsakos und von dessen Mauern geschuetzt sich einzuschiffen. Ihr Gepaeck liessen sie im Stich, sowie die Kranken und Verwundeten, die von den erbitterten Kyzikenern saemtlich niedergemacht wurden. Unterwegs fuegte ihnen Lucullus beim Uebergang ueber die Fluesse Aesepos und Granikos sehr ansehnlichen Verlust zu; doch erreichten sie ihr Ziel: die pontischen Schiffe entfuehrten die Ueberreste der grossen Armee und die lampsakenische Buergerschaft selbst aus dem Bereiche der Roemer. Lucullus’ folgerechte und bedaechtige Kriegfuehrung hatte nicht bloss die Fehler seines Kollegen wieder gutgemacht, sondern auch, ohne eine Hauptschlacht zu liefern, den Kern der feindlichen Armee – angeblich 200 000 Soldaten – aufgerieben. Haette er noch die Flotte gehabt, die im Hafen von Kalchedon verbrannt war, so wuerde er die ganze feindliche Armee vernichtet haben; so blieb das Zerstoerungswerk unvollendet, und er musste sogar es leiden, dass trotz der Katastrophe von Kyzikos die pontische Flotte in der Propontis sich aufstellte, Perinthos und Byzantion auf der europaeischen Kueste von ihr blockiert, Priapos auf der asiatischen ausgeraubt, das koenigliche Hauptquartier nach dem bithynischen Hafen Nikomedeia gelegt ward. Ja ein erlesenes Geschwader von fuenfzig Segeln, das 10000 erlesene Leute, darunter Marcus Marius und den Kern der roemischen Emigranten trug, fuhr sogar hinaus in das Aegaeische Meer; es ging die Rede, dass es bestimmt sei, in Italien zu landen, um dort aufs neue den Buergerkrieg zu entfachen. Indes fingen die Schiffe, die Lucullus nach dem Unfall von Kalchedon von den asiatischen Gemeinden eingefordert hatte, an, sich einzustellen und ein Geschwader lief aus, um das in das Aegaeische Meer abgegangene feindliche aufzusuchen. Lucullus selbst, als Flottenfuehrer erprobt, uebernahm das Kommando. Vor dem Achaeerhafen, in den Gewaessern zwischen der troischen Kueste und der Insel Tenedos, wurden dreizehn feindliche, auf der Fahrt nach Lemnos begriffene Fuenfruderer unter Isidoros ueberfallen und versenkt. Bei der kleinen Insel Neae zwischen Lemnos und Skyros sodann, an welchem wenig besuchten Punkte die pontische Flottille von 32 Segeln auf den Strand gezogen lag, fand sie Lucullus, griff zugleich die Schiffe und die auf der Insel zerstreute Bemannung an und bemaechtigte sich des ganzen Geschwaders. Hier fanden Marcus Marius und die tuechtigsten der roemischen Emigrierten entweder im Kampfe oder nachher durch das Henkerbeil den Tod. Die ganze aegaeische Flotte der Feinde war von Lucullus vernichtet. Den Krieg in Bithynien hatten inzwischen mit dem durch Nachsendungen aus Italien verstaerkten Landheer und einem in Asien zusammengezogenen Geschwader Cotta und die Legaten Luculls Voconius, Gaius Valerius Triarius und Barba fortgesetzt. Barba nahm im Binnenland Prusias am Olymp und Nikaea, Triarius an der Kueste Apameia (sonst Myrleia) und Prusias am Meer (sonst Kios). Man vereinigte sich dann zu einem gemeinschaftlichen Unternehmen gegen Mithradates selbst in Nikomedeia; indes der Koenig, ohne nur den Kampf zu versuchen, entwich auf seine Schiffe und fuhr heimwaerts, und auch dies gelang ihm nur, weil der mit der Blockierung des Hafens von Nikomedeia beauftragte roemische Flottenfuehrer Voconius zu spaet eintraf. Unterwegs ward zwar das wichtige Herakleia an den Koenig verraten und von ihm besetzt; aber ein Sturm in diesen Gewaessern versenkte ueber sechzig seiner Schiffe und zerstreute die uebrigen; fast allein gelangte der Koenig nach Sinope. Die Offensive Mithradats endigte mit einer vollstaendigen und durchaus nicht, am wenigsten fuer den obersten Leiter, ruehmlichen Niederlage der pontischen Land- und Seemacht. Lucullus ging jetzt seinerseits zum Angriff vor. Triarius uebernahm den Befehl ueber die Flotte mit dem Auftrag, vor allem den Hellespont zu sperren und den aus Kreta und Spanien rueckkehrenden pontischen Schiffen aufzupassen, Cotta die Belagerung von Herakleia; das schwierige Verpflegungsgeschaeft ward den treuen und taetigen Galaterfuersten und dem Koenig Ariobarzanes von Kappadokien uebertragen; Lucullus selbst rueckte im Herbst 681 (73) ein in die gesegnete und seit langem von keinem Feinde betretene pontische Landschaft. Mithradates, jetzt entschlossen zur strengsten Defensive, wich, ohne eine Schlacht zu liefern, zurueck von Sinope nach Amisos, von Amisos nach Kabeira (spaeter Neo-Caesarea, jetzt Niksar) am Lykos, einem Nebenfluss des Iris; er begnuegte sich, den Feind immer tiefer landeinwaerts sich nachzuziehen und ihm die Zufuhren und Verbindungen zu erschweren. Rasch folgte Lucullus; Sinope blieb seitwaerts liegen; die alte Grenze des roemischen Machtgebiets, der Halys, ward ueberschritten, die ansehnlichen Staedte Amisos, Eupatoria (am Iris), Themiskyra (am Thermodon) umstellt, bis endlich der Winter den Maerschen, aber nicht den Einschliessungen der Staedte ein Ende machte. Die Soldaten Luculls murrten ueber das unaufhaltsame Vordringen, das ihnen nicht gestattete, die Fruechte ihrer Anstrengungen zu ernten, und ueber die weitlaeufigen und in der rauben Jahreszeit beschwerlichen Blockaden. Allein es war nicht Lucullus’ Art, auf dergleichen Klagen zu hoeren; im Fruehjahr 682 (72) ging es sofort weiter gegen Kabeira unter Zuruecklassung zweier Legionen vor Amisos unter Lucius Murena. Der Koenig hatte waehrend des Winters neue Versuche gemacht, den Grosskoenig von Armenien zum Eintritt in den Kampf zu bestimmen; sie blieben wie die frueheren vergeblich oder fuehrten doch nur zu leeren Verheissungen. Noch weniger bezeigten die Parther Lust, bei der verlorenen Sache sich zu beteiligen. Indes hatte sich, besonders durch Werbungen im Skythenland, wieder eine ansehnliche Armee unter Diophantos und Taxiles bei Kabeira zusammengefunden. Das roemische Heer, das nur noch drei Legionen zaehlte und das an Reiterei den Pontikern entschieden nachstand, sah sich genoetigt, das Blachfeld moeglichst zu vermeiden, und gelangte nach Kabeira auf schwierigen Nebenpfaden, nicht ohne Beschwerden und Verluste. Bei dieser Stadt lagerten die beiden Armeen laengere Zeit einander gegenueber. Gestritten ward hauptsaechlich um die Zufuhr, die auf beiden Seiten knapp war; Mithradates bildete deswegen aus dem Kern seiner Reiterei und einer Abteilung erlesener Fusssoldaten unter Diophantos und Taxiles ein fliegendes Korps, das bestimmt war, zwischen dem Lykos und dem Halys zu streifen und die aus Kappadokien kommenden roemischen Lebensmitteltransporte aufzufangen. Allein der Unterbefehlshaber Lucullus, Marcus Fabius Hadrianus, der einen solchen Zug eskortierte, schlug nicht bloss die ihm auflauernde Schar in dem Engpass, wo sie ihn zu ueberfallen gedachte, vollstaendig aufs Haupt, sondern auch, nachdem er Verstaerkung aus dem Lager erhalten hatte, die Armee des Diophantos und Taxiles selbst, so dass dieselbe voellig sich aufloeste. Es war fuer den Koenig ein unersetzlicher Verlust, dass seine Reiterei, auf die er allein vertraute, ihm hier zugrunde gegangen war; sowie er durch die ersten vom Schlachtfeld nach Kabeira gelangenden Fluechtlinge – bezeichnend genug die geschlagenen Generale selbst – die Hiobspost, frueher noch als Lucullus die Nachricht von dem Sieg, erhalten hatte, beschloss er sofortigen weiteren Rueckzug. Aber der gefasste Entschluss des Koenigs verbreitete sich mit Blitzesschnelle unter seiner naechsten Umgebung; und wie die Soldaten die Vertrauten des Koenigs eiligst einpacken sahen, wurden auch sie von panischem Schreck ergriffen. Niemand wollte bei dem Aufbruch der letzte sein; Vornehme und Geringe liefen durcheinander wie gescheuchtes Wild; keine Autoritaet, nicht einmal die des Koenigs, ward noch beachtet und der Koenig selbst fortgerissen in dem wilden Getuemmel. Die Verwirrung gewahrend, griff Lucullus an, und fast ohne Widerstand zu leisten liessen die pontischen Scharen sich niedermetzeln. Haetten die Legionen Mannszucht zu halten und ihre Beutegier zu maessigen vermocht, so waere kaum ein Mann ihnen entronnen und der Koenig ohne Zweifel selbst gefangen worden. Mit Not entkam Mithradates mit wenigen Begleitern durch die Berge nach Komana (unweit Tokat und der Irisquelle), von wo ihn aber auch bald eine roemische Schar unter Marcus Pompeius wiederaufscheuchte und ihn verfolgte, bis er, von nicht mehr als 2000 Reitern begleitet, in Talaura in Klein-Armenien die Grenze seines Reiches ueberschritt. In dem Reiche des Grosskoenigs fand er eine Zufluchtsstaette, aber auch nicht mehr (Ende 682 72). Tigranes liess seinem fluechtigen Schwiegervater zwar koenigliche Ehre erzeigen, aber er lud ihn nicht einmal an seinen Hof, sondern hielt ihn in der abgelegenen Grenzlandschaft, wo er sich befand, in einer Art von anstaendiger Haft. Ganz Pontos und Klein- Armenien ueberschwemmten die roemischen Truppen und bis nach Trapezus hinauf unterwarf sich das platte Land ohne Widerstand dem Sieger. Auch die Befehlshaber der koeniglichen Schatzhaeuser ergaben sich nach kuerzerem oder laengerem Zaudern und lieferten ihre Kassenvorraete aus. Die Frauen des koeniglichen Harems, die koeniglichen Schwestern, seine zahlreichen Gemahlinnen und Kebse liess der Koenig, da sie zu fluechten nicht moeglich war, durch einen seiner Verschnittenen in Pharnakeia (Kerasunt) saemtlich toeten. Hartnaeckigen Widerstand leisteten nur die Staedte. Zwar die wenigen im Binnenland, Kabeira, Amaseia, Eupatoria, waren bald in der Gewalt der Roemer; aber die groesseren Seestaedte, Amisos und Sinope in Pontos, Amastris in Paphlagonien, Tios und das pontische Herakleia in Bithynien, wehrten sich wie Verzweifelte, teils begeistert durch die Anhaenglichkeit an den Koenig und die von ihm geschirmte freie hellenische Stadtverfassung, teils terrorisiert durch die Scharen der vom Koenig herbeigerufenen Korsaren. Sinope und Herakleia liessen sogar die Schiffe gegen die Roemer auslaufen, und das sinopische Geschwader bemaechtigte sich einer roemischen Flottille, die von der Taurischen Halbinsel fuer Lucullus’ Heer Getreide brachte. Herakleia unterlag erst nach zweijaehriger Belagerung, nachdem die roemische Flotte der Stadt den Verkehr mit den griechischen Staedten auf der Taurischen Halbinsel abgeschnitten hatte und in den Reihen der Besatzung Verraeterei ausgebrochen war. Als Amisos aufs aeusserste gebracht war, zuendete die Besatzung die Stadt an und bestieg unter dem Schutze der Flammen ihre Schiffe. In Sinope, wo der kecke Piratenkapitaen Seleukos und der koenigliche Verschnittene Bakchides die Verteidigung leiteten, pluenderte die Besatzung die Haeuser, bevor sie abzog, und steckte die Schiffe, die sie nicht mitnehmen konnte, in Brand; es sollen hier, obwohl der groesste Teil der Verteidiger sich hatte einschiffen koennen, doch noch 8000 Korsaren von Lucullus getoetet worden sein. Zwei volle Jahre nach der Schlacht von Kabeira und darueber (682-684 72- 70) waehrten diese Staedtebelagerungen, die Lucullus grossenteils durch seine Unterbefehlshaber betrieb, waehrend er selbst die Verhaeltnisse der Provinz Asia ordnete, die eine gruendliche Reform erheischten und erhielten. Wie geschichtlich merkwuerdig auch jener hartnaeckige Widerstand der pontischen Kaufstaedte gegen die siegreichen Roemer ist, so kam doch zunaechst wenig dabei heraus; die Sache des Koenigs Mithradates war darum nicht minder verloren. Der